Reflexionen

In Wort und Bild gesehen, gedacht und gefühlt
Zum Betrachten, Nachdenken, Mitdenken, Vordenken
Mit Lebenslust ein Leben lang, mindestens


Eine Art Innehalten

∞  27 Februar 2007, 17:26

Erdling fährt seine Mutter nach Hause. Schön war der Abend. Er fährt den weiteren Weg, weil er weiss, dass es ihr auf der schmalen, steilen Strasse nicht geheuer ist, da kann er so vorsichtig fahren, wie er will. Früher hätte er sich nicht um ihre Angst geschert, sondern jedem Gasstoss am Hang noch den stummen Protest gegen ihr fehlendes Vertrauen mitgegeben: Mit heimlich-stummem und doch lautem und entsprechend boshaftem Vergnügen.
Wie kindisch war er doch, dieser stille kalte Krieg.

Die Bahnschranke geht nieder. Sie stehen wie verloren im Dunkeln an der Stopp-Strasse. Erdling stellt den Motor ab. Schwere Regentropfen fallen dumpf aufs Dach, lassen die Lichter der Strassenlaternen auf der Frontscheibe zerplatzen und dann zerfliessen.
Im Rückspiegel sieht Erdling ein Auto hinter ihm halten. Der Fahrer legt in einer langsamen Bewegung die gefalteten Hände aufs Steuerrad, bevor er sich im Regenwasser wie hinter Plexiglas aus seinen Umrissen löst.

“Schön, wie Du die Ruhe selbst bist”, hört er seine Mutter sagen. Erdling lächelt. Und er ist glücklich, dass alle stillen Kriege der Vergangenheit nicht verhindern konnten, dass aus der leisen Leere solcher Augenblicke neue Töne des Verstehens aufsteigen. Am Grund der Dinge angekommen, muss nichts bewiesen werden noch geleistet sein. Da willst Du nicht schreien, sondern lauschen.

Er steht einfach da, sitzt in einem ganz und gar nicht verlorenen und erst recht nicht abgestellten Auto, das seine Reise fortsetzen wird, wenn ihm der Weg frei gegeben ist. Erdling will die Zeit erkunden, so wie sie sich ihm anbietet.