Reflexionen

In Wort und Bild gesehen, gedacht und gefühlt
Zum Betrachten, Nachdenken, Mitdenken, Vordenken
Mit Lebenslust ein Leben lang, mindestens


Döbeli (fast) allein zu Haus

∞  27 März 2007, 17:57

© Thinkabout, 6. Okt. 06

Der Herr Döbeli hatte viel zu tun. Der kleine Köbeli wollte das nicht verstehen. Papi hatte immer viel zu tun. Für den Kleinen war das eine Art Krankheit. Es konnte doch nichts Schöneres geben als seinen Lego-Bagger, und es stellte sich doch kein wichtigeres Problem als das Kaffeepulver, das nun doch partout mit eben diesem Bagger vom Sack in die Vorratsdose umgefüllt werden musste. Aber Papi hatte keinen Nerv dafür. Er schaute gar nicht hin.
Er wünschte sich, seine Frau käme wieder nach Hause, damit er ins Büro verschwinden konnte. Hier liess sich so schwer arbeiten. Die Konzentration…

Während dessen genoss Frau Döbeli ihren Einkaufsbummel. Sie wusste, dass ihr Mann gerade justament jetzt seinem neulichen innerehelichen Vortrag über
„das wohl überlegte Zeitmanagement eines erfolgreichen Kadermitglieds und dessen Anwendbarkeit auf Hausarbeit und Kindererziehung“
eine praktische Anwendung eben dieser Führungsqualitäten folgen liess. Das erlaubte ihr, trotz vollen Tragetaschen frohgemut genau in dem Moment die nächste Boutique zu betreten, in dem ihr erfolgreicher Mann zu Hause fern jeden Organisationsprinzips aber von einem urwüchsigen Instinkt beseelt den Kopf hob:

Döbeli hatte schon lange keine Zeit mehr für Sport, und so staunte er selbst, wie schnell seine Muskeln den Befehl seines Hirns umzusetzen versuchten: Hochschnellen und sich seitwärts strecken, um den Kaffeebeutel im Flug zu fangen, bevor er auf dem dicken weissen Teppich aufschlug… Aber er war nicht schnell genug. Döbeli hatte genau genommen keine Chance. Auch Köbeli hatte längst schon vergessen, welcher Spass es gewesen war, seinem Vater unbemerkt die Schnürsenkel zusammen zu binden. Wie in Zeitlupe sah er seinen Vater auf den Bauch fallen, wobei dieser den restlichen Kaffee mit einer rudernden Armbewegung über den Boden schleuderte. Sein Handy folgte ihm in hohem Bogen, prallte von Döbelis Hinterkopf ab, was diesen aufheulen liess, um gleich darauf zu klingeln. Dass der Gefangenenchor von Nabucco jetzt doch ziemlich zynisch war als Klingelzeichen, war Köbeli nicht bewusst… Er drückte auf die Empfängertaste und sprach ganz ernst ins Telefon, sein Vater, der Herr Direktor Döbeli, hätte jetzt leider keine Zeit…