Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Zur Islam-, Religions- und Kulturdebatte (Gastbeitrag)

∞  6 Dezember 2009, 19:12

[Vorbemerkung von Thinkabout: Der Verfasser / die Verfasserin des nachfolgenden Beitrags ist mir bekannt. Er oder Sie möchte anonym bleiben, und ich respektiere das hier wie in jedem anderen Fall, in dem ich ein ehrliches Bedürfnis erkennen kann, die eigene Meinung frei sagen zu wollen, mit dem Ziel, der aktuellen Debatte eine zusätzliche Stimme zu geben: Kritisch, aber durchaus mit dem Wunsch, die Verhältnisse konstruktiv zu beeinflussen. Gastbeiträge in diesem Sinn werden hier aus allen “Lagern” Platz haben können: Ich wünsche mir genau dies: Eine offene Debatte aller Betroffenen. Dass auch Stimmen aus dem angrenzenden Ausland zu Wort kommen, ist nicht beliebig: Wir fühlen uns durch die Reaktionen aus diesem Ausland sehr wohl betroffen, rechtsradikale Tendenzen macht man auch bei uns aus, und der Blick ins Ausland hat ganz bestimmt auch das Abstimmungsverhalten mit beeinflusst.]



Ich melde mich hier anonym als Gastschreiber zu Wort. Ich komme aus Deutschland und möchte einmal aus meiner Sicht ein paar Worte loswerden.

Die Deutschen (und nicht nur sie, aber sie ganz besonders) müssen für sich selbst ganz klar formulieren, welche ihre eigenen Werte sind, was ihre eigene Kultur ausmacht. Dann erst können sie diese auch zeigen und dazu stehen, anstatt immer nur nebulös ihre angebliche Toleranz gegenüber anderen Kulturen zu betonen. Erst dann werden sie ja für die anderen sichtbar. Wer aber selbst keine Konturen zeigt, muss sich nicht wundern, wenn sie von anderen weder gesehen noch respektiert werden. Und genau hier liegt der Ansatz für ein besseres Miteinander.

Anstatt ständig zu tolerieren, von muslimischen Mitmenschen nicht ernst genommen zu werden, zuzulassen, wenn unsere Kinder von den türkischen Mitschülern gehänselt, beschimpft und als Nazis abgestempelt werden, bloß weil sie sich gegen deren Übergriffe wehren, ist es an der Zeit, für die eigenen Standpunkte zu arbeiten und sich diese klar und bewusst zu machen. Doch es muss erlaubt sein, den anderen die Grenzen zu verdeutlichen, ohne gleich aus den eigenen Reihen als Ausländerfeinde ausgebuht zu werden. Es muss den ausländischen Mitmenschen einfach nur klar gemacht werden, dass es in Deutschland, genau wie in jedem anderen Land auch, Sitten, Bräuche, Gewohnheiten, Gesetze und Regeln gibt, die einzuhalten von ihnen auch erwartet wird und dass jeder, der sich nicht daran halten will, eben mit entsprechenden Konsequenzen zu rechnen hat.

Das hat absolut nichts mit Rassismus zu tun! Es hat mit Souveränität und Gelassenheit zu tun. Eine Gesellschaft, die ihre eigene Kultur kennt und dazu steht, kann sie gegenüber anderen abgrenzen und somit auch die anderen als anders akzeptieren und tolerieren. Eine Gesellschaft, die zulässt, wenn ihre Grenzen ständig von anderen ungefragt überschritten werden (weil die es auch gar nicht anders können, wenn sie die Grenzen nicht sehen), muss zwangsläufig einen unterschwelligen Groll gegen die anderen aufbauen, der möglicherweise dann wirklich in rassistische Gedanken und Taten umschlägt. Und dann sind wir wieder genau da wo wir vor dem zweiten Weltkrieg schon einmal waren.

Diese angebliche Toleranz, von der immer mehr Stimmen fordern, sie endlich fallen zu lassen, ist in Wirklichkeit auch keine, es ist vielmehr die Angst davor, von anderen immer wieder mit den Nazis des dritten Reiches auf eine Stufe gestellt zu werden. Das wissen viele Ausländer ganz genau und nutzen diese Angst aus, um den ungeliebten Deutschen im eigenen Land zu demonstrieren, wer die besseren Menschen sind, oder aber ihre eigenen Parallelwelten aufzubauen, wohl wissend, dass sie dort niemand behelligt.

Und nun zu der Schweizer Entscheidung. Als ich das Ergebnis gelesen habe, waren meine inneren Empfindungen voller Widersprüche. Einerseits irgendwo ein Schamgefühl, auf der anderen Seite Erleichterung. Erleichterung? Warum? Dass eine Mehrheit eines Volkes, einer Nation, es wagt, eine solch unpopuläre Entscheidung zu treffen gegen alle derzeitige politische Korrektness. Unpopulär, aber sie ist da, wir alle müssen uns endlich mit dem Thema beschäftigen.

Ich dachte an Klassenfeste, auf denen Türken ihren eigenen Grill mitbrachten und abseits aufstellen, damit kein Schweinefleisch ihr Essen verunreinigt. An meine Kinder, die als Nazis beschimpft werden, bloß weil sie sich gegen die Übergriffe ihrer türkischen Mitschüler wehren. An Elternabende und Elternstammtische, an denen so gut wie nie türkische Eltern teilnahmen, obwohl der Anteil der türkischen Schüler in der Klasse ein Drittel betrug. Und die sehr wohl ein Thema auf diesen Elternversammlungen waren. Nur die, die wirklich etwas dazu hätten sagen können, waren für uns schlicht unsichtbar, nicht da, nicht vorhanden.

Eine Mutter sagte einmal, das hier ist unser Kulturkreis. Genau. Doch selbst die Lehrer eiern herum, unterstellen deutschen Schülern lieber Rassismus statt sich mit dem selbstherrlichen Auftreten ihrer ausländischen, vorwiegend muslimischen Mitschüler zu beschäftigen. Doch auch sie agieren angstgesteuert.

Ein falsches Wort, und sie sitzen in der Nazi- und Rassistenecke!

Wann endlich sind wir bereit dazu, Toleranz gerade bei denen einzufordern, die sie doch die ganze Zeit in höchstem Maße von uns abverlangen? Wie lange noch wollen wir uns und unsere Kultur, Religion und Geschichte verstecken und uns auch noch dafür entschuldigen? Anstatt endlich zu dem zu stehen was wir sind, wer wir sind, was wir dulden, gutheißen, akzeptieren und was nicht?

Doch dazu ist Klarheit und Hingucken notwendig, nicht Wegsehen und Verleugnen. Wir, ich meine die Europäer und Bewohner des christlichen Abendlandes, spüren deutlich, dass der Islam eine Vormachtstellung anstrebt (oder nicht?). Wollen wir uns denn unserer Werte einfach so berauben lassen, weil wir nicht den Arsch in der Hose haben, Grenzen zu setzen? Lieber die ach so hoch gehaltenen Empfindlichkeiten und Gefühle der islamischen Welt auf den Altar stellen, bloß nicht antasten, lieber keine Mohammedkarikaturen, lieber doch hier und da eine Baugenehmigung für die eine oder andere Moschee. Damit die Muslime still sind und wir unsere Ruhe haben.

Diese Initiative in der Schweiz war aus meiner Sicht nur ein Ventil, die dünnste Stelle an der ganzen Konfliktblase, die sich da seit Jahren aufbaut. Für mich völlig klar, dass sie gerade an dieser Sollbruchstelle platzen musste. Und es ist vielleicht ein Glück, dass sie in der Schweiz (ausgerechnet!) lag, nicht in Deutschland.

Ich gebe zu, das ist nicht immer brav formuliert. Dennoch bin ich kein Rassist und kein Nazi. Habe ich Vorurteile? Vielleicht. Doch viel mehr liegt mir am Herzen, dass die Menschen hierzulande (und europaweit) für sich und für das, wofür sie stehen und wofür sie leben, die Verantwortung übernehmen, sich ihren Ängsten stellen und ihre Vergangenheit aufarbeiten. Solange das nicht geschehen ist, wird es weiterhin dieses reaktive und angstgesteuerte Herumgeeiere geben, in der Politik, in den Medien, in den Schulen, im Supermarkt…