Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Zum Zahnarzt gleiten...

∞  21 Februar 2007, 20:06

Manchmal fahre ich durchaus forsch Auto. Ein Spurwechsel, spontan, dennoch mit aller Sicherheit – er bringt mich auch mitten in der Stadt nicht in Verlegenheit. Und da ich mich im Zentrum Zürichs recht gut auskenne, liebe ich diese Fahrten, wenn alle Sinne geschärft sind.

Bis anhin allerdings hatte ich auch stets Termine – und damit einen Zwang, schnell zu sein. Ich fühlte mich gedrängt, meine Sicherheit in gewonnene Minuten umzusetzen…

Jetzt ist das anders. Ich muss zwar zum Zahnarzt. Der hat die Eigenschaft, einen auf einen bestimmten Zeitpunkt hin einzutragen und auch zu erwarten, dass man zu genau diesem Zeitpunkt auf der Matte steht – und alsbald liegt. Mein Zahnarzt scheint disziplinierte Kunden zu haben und selbst diszipliniert zu sein. Ich warte nämlich selten. Ich weiss gar nicht, warum er überhaupt Zeitschriften aufgelegt hat im Wartezimmer. Man hat gar keine Chance, den Artikel zu Ende zu lesen, schon steht er da. Und da ist dann auch niemand, zu dem man freundlich sagen könnte: Ooooch, bitte nach Ihnen, meine Dame.

Also weg mit der Zeitung und schön im Gänsemarsch ihm nach Marsch. Ich kann ihm kaum folgen, so eilig hat er es, mich auf die Liege zu bekommen.

So schlimm ist es dann gar nicht, und wenn mich das Gezerre in meinem Mund doch zu stören beginnt, denke ich einfach an meinen sperrig gewordenen Zweit-Partner, der schon fast ein Ex-Zweit-Geschäfts-Partner geworden ist, und ich stelle mir vor, wie ich ihm mal gehörig die Meinung geigen werde. Dabei gefalle ich mir so gut und schüre mein Mütchen, dass ich die zerrenden Haken in meinem sabbernden Schwatzkasten gar nicht mehr wahrnehme. Das funktioniert mindestens so gut wie die von meinem Hypnosetherapeuten gelernten Suggestionsübungen, in denen ich mir einen ganz besonders schönen Ort vorstelle, an dem mich Ruhe und Zuversicht und Gleichmut überkommt – und an dem ich ganz sicher an alles lieber dächte als an meinen Sonder-Spezi.

In jedem Fall ist der Zahnarzt seinen Schrecken für mich ziemlich los geworden, und er hat die Freundlichkeit und den Geschäftssinn, sich auch darüber zu freuen. Ich besuche ihn jetzt regelmässig. Das bringt mich gelegentlich in die Stadt und damit – sprichwörtlich – unter die Leute.

Ach ja, eben, ans Autofahren habe ich auch gedacht. Und mich dabei gewundert: Ich bin ganz gesittet durch die Stadt kutschiert, nicht geschlichen. Aber ich habe auf das Auto, das nun acht Jahre auf dem Buckel hat, geachtet und erstmals bemerkt, dass es im Grunde mehr gleitet als fährt. Dass man es zumindest so empfinden und auch so steuern und lenken kann, dass die bestehende Beschleunigung wann immer möglich in fliessende Bewegungen übergeht. Und so “kreuze” ich durch die Stadt, und siehe da, die Lücken tun sich genau so auf, und ich wechsle die Spuren wie eh und jeh, bin in der Zeit und geniesse eine Form von lautloser Leere im gläsernen und blechernen Käfig, in dem ich einsam aber nicht allein in der Perlenschnur derjenigen eingereiht bin, die dringend schon wo anders sein müssten. Und darum schon mal telefonieren. Oder was auch immer.

Ich höre derweil Radio. Oder besser Musik vom CD-Wechsler. Wann bitte, habe ich denn das zum letzten Mal gemacht?

Dabei ist in mir viel mehr Ruhe, Stille, ein leeres Gleiten, ein Fliegen des Gemüts. Wie wenn einem die Mütze weg fliegen würde und man ihr souverän hinterher lacht, weil man sie eh nicht mehr braucht… So lasse ich mir das neue Leben ohne jede Menge wichtiger und gewichtiger Verbindlichkeiten gerne gefallen.