Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Zu Tisch gebeten

∞  6 September 2010, 21:21

Alleinsein ist oft nicht schön. Allein essen aber ist elend. In keiner anderen Situation würde ich als Single wohl Gesellschaft so vermissen wie beim Essen. Da verstehe ich gar, wenn jemand bei laufendem Fernseher isst.

Natürlich ist es eine Schande, wenn man die Geschmacksentdeckungen auf dem Teller so verpasst – vorausgesetzt, man hat überhaupt etwas zu verpassen, weil man zuvor das Kochen für sich allein nicht schon als ätzend empfunden hat…

Umgekehrt ist Essen zu Zweit wunderbar. Es ist so was wie die Brennstoffzelle unserer Beziehung. Am Tisch sehen wir uns an, am Tisch speisen wir. Wir essen nicht nur. Wir geniessen, was wir zuvor selbst zubereitet haben. Wir feiern die Kreativität meiner Frau und meine ehrlichste Lust, beschränkt hilfreicher Teil (als Kartoffelschäler und Casserolier) für ein tolles Ganzes zu sein, das ich als Geschenk empfinde. Tag für Tag.

Zusammen essen ist wunderbar. Auch mit Freunden. Jedes Gespräch bekommt irgendwie mehr Raum. Die Zeit rennt nicht davon. Sie ruht. Was für einen gekocht wird, zu was ich eingeladen bin – die Tatsache, dass mir etwas aufgetischt wird, dass ich Gast sein darf, das alles ist ein echtes Geschenk und wunderbar, ganz unabhängig davon, was es gibt. Es geht nicht um den Aufwand. Es geht um die Handlung, die Für-Sorge, das Willkommensein, das Teilen. Komm an meinen Tisch und ruh Dich aus. Erzähl von dir. Schweig mit mir. Geniesse mit mir. Lass es Dir gut gehen. Wir sorgen für unseren Leib, und schon wird auch die Seele viel eher erhört.

Zusammen essen ist eine Art Dankgottesdienst für die Freundschaft.

Vor allem aber ist der gedeckte Tisch, an dem man lange sitzen bleibt, und zu dem sich die Gespräche gesellen wie gute Vertraute, ein Stück Heimat für die Seele. Hier begegnet man ihr mit dem gleichen Appetit wie der Mahlzeit. Und alles hat seinen Platz und seine Zeit und seinen Raum. Und auch wenn die gemeinsame Zeit immer zu Ende geht, man irgendwann aufbrechen muss, so nimmt man davon etwas mit nach Hause. Da ist ein Hauch Liebreiz, der einfach nur gut getan hat und für die kommende Nacht tröstet. Und wenn dann in der Nacht noch eine Hand da ist, die in die meine greift, ist alles einfach gut und in Ordnung.