Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Zeit rinnen lassen

∞  28 Februar 2008, 00:19

abgelegt in Themen SMS zum Tag
und Zeit und Leere


Wenn die Zeit vergeht, so lass sie gehen. Du kannst sie nicht aufhalten. Bleibst Du sitzen, wird sie zu Dir zurück kehren, ohne Dir einen Schrecken einzujagen.


Soeben lese ich von Immanuel Kant:

Je mehr du gedacht, je mehr du getan hast, desto länger hast du gelebt.

Schon lange hat mich kein Zitat – schon gar nicht von einem solchen geistigen Schwergewicht unserer Kulturgeschichte – so schmerzlich daran erinnert, welches vor allem völlig stressbeladene Verhältnis wir zu vergehender Zeit haben. Wir jagen ihr ständig hinterher, begreifen sie als ein knappes Angebot, das wir nutzen wollen, indem wir ihm Sinn geben. Sie ist für uns ein Gefäss, das wir füllen müssen, indem wir Spuren legen, der Vergänglichkeit entkommen. Wie sinnlos das ist!

Wir werden immer zu wenig Zeit haben und am Ende ein sinnloses Rennen verlieren.

Zeit, wie wir sie begreifen, sitzt immer wie der Sand in der Sanduhr und zerrinnt.

Dabei ist es umgekehrt. Unsere uns geschenkte Wahrnehmung umfasst nur die Dauer einer Sanduhr in einem an sich endlosen Raum der alles umfassenden Zeit.

Zeit, wie wir sie messen, nehmen wir dann war, wenn wir in Eile sind.

Haben wir tatsächlich Zeit, ist sie da, vorhanden, verwandelt sich in Ruhe.

Wir beginnen uns zu bewegen, aber zu einer zeitlosen Mitte hin, zu uns selbst, zum Zentrum aller Dinge und Wesen, der einzigen Körperlichkeit, die wirklich bleibt.

Wir werden selbst zum Sand in der Sanduhr und sind Teil des Zerrinnens.

Nichts daran muss uns erschrecken.

Wir sind geboren und begreifen nicht, warum.

Wir werden sterben und wissen nicht, wann.

Ganz sicher wird es vor dieser unserer Lebensstrecke und danach Zeit geben.

Und neue Sandkörner in Sanduhren.

Und unser Davor wird in ein Danach übergehen.

Dies ist nicht Grund für Krampf, sondern für Gelassenheit.

Kein Wandel, der ist, muss aufgehalten werden.

Nur gelebt wird er. Ob wir wollen oder nicht.