Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Zeit der Einsamkeit

∞  9 Januar 2008, 00:02

abgelegt in Themen SMS zum Tag
und Zeit und Leere


Fühlen Sie sich einsam? Komisch, das haben Sie mit Vielen gemeinsam.

Mit sich allein sein bedeutet: Das Ego hat keine Bühne. Was für eine Chance!




Aber leider hören wir in der Einsamkeit nur unser Ego jammern, das diesen Zustand beklagt. Ist das dann Alleinsein oder Einsamkeit? Ist das dasselbe? Ich glaube, man kann die Einsamkeit auch fühlen, wenn man nicht allein ist.
Wie schön wäre es, Sie könnten diesen Zustand umbenennen und entsprechend beleben:

Für sich sein.

Dann lässt sich fühlen: Wenn ich tiefer in diese meine Einsamkeit dringe, sehe ich, dass ich losgelöst von jeder menschlichen Bindung, von allen Ängsten und Aufregungen ein Wesen habe, das keinen Botschafter und keine Körperlichkeit braucht, um fühlbar zu sein. Das Ich, wie ich es begreife, ist ein kleinster Teil einer tieferen, beständigeren Seelengründigkeit, die in mir war vor meiner Zeit und bleiben wird.

Diese Begegnung mit unserem Selbst lässt uns gelassen unter Menschen gehen oder zu Hause bleiben. Alles bekommt plötzlich seine Zeit – und dient am Ende der Überwindung der Furcht vor der dahinfliessenden Zeit, die uns Menschen ständig zu entgleiten scheint. So, wie wir sie sehen, diese Zeit, gibt es sie gar nicht: Wie wäre es denn anders möglich, dass sie den Emsigen unter uns ständig zu knapp ist, während die Orientierungslosen zu viel davon zu haben glauben? Denn alle haben gleich viel davon, oder gleich wenig. Aber es gibt ruhige und laute Zeit, und dafür brauchen wir nichts weiter als uns selbst. Wir schaffen uns die Zeit.


Bild: “Einsamer Trinker”, 1993, von Richard Hess
gefunden bei Galerie am Wasserturm