Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Wollen Sie religiös korrekte Schulen?

∞  24 Dezember 2007, 13:54

Es ist Weihnachten – und ich bin wütend. Ja, richtig. Für das Fest ist alles hergerichtet, in absolutem Frieden und ohne Hetze haben wir das dank Thinkabouts Wife heute abgewickelt. Das hat leider den Nachteil, dass ich Gelegenheit fand, die Sonntagspresse noch ein wenig zu durchforsten. Und dabei bin ich auf ein schon länger aktuelles Thema gestossen, das mich – eben – schon mehr wütend als nur traurig macht.

Ich meine die neue Art, in der Schule die Weihnachtstage zu „thematisieren“. Interreligiös sollen sie sein, diese Feiern und Lehren an der Schule – und daraus wird geschlossen, dass die christliche Weihnachtsgeschichte und die Religion ganz allgemein auszublenden sei.

Es werden die Stimmen von Lehrern zitiert, dass dies dem Wesen unserer multikulturellen Gesellschaft entspreche und die Schule keinen Keil zwischen Eltern und Kinder treiben dürfe.
Aha! Da kann ich also lesen, dass die Kinder durchaus Freude und Wissensdurst für die Weihnachtsgeschichte mitbringen würden, die Eltern mit „fremder“ Religion aber keine Beeinflussung ihrer Kinder mit anderen Glaubenslehren tolerieren wollen. Und was geschieht?
Die Schulbehörden reden von der notwendigen Toleranz – und verzichten auf Krippenspiel, Weihnachtsgeschichte, Weihnachtslieder, singen dafür Kumbayah und türkische Hitenlieder mit den Kindern und fühlen sich dabei als wahre Menschenfreunde.
Ich behaupte, dass man hier – eventuell auch im Bewusstsein der eigenen verarmten Kultur – den Weg des geringsten Widerstandes geht und wieder einmal Gleichgültigkeit und Beliebigkeit mit Toleranz verwechselt. Was, bitte schön, ist denn mit den Schweizer Kindern, die diese gleiche Neugier besitzen, mehr wissen und erfahren möchten und dies vielleicht sonst nirgends so offen und frei erleben können, als dies in der Schule möglich wäre?
Und sind die Lehrer nicht die Anwälte aller ihrer Schülerinnen und Schüler, die deren Wissensfreude und Neugier auch gegenüber deren Eltern zu vertreten hätten? Wären sie als Lehrer der Heimatkultur nicht gerade dazu zu verpflichten, die Angst oder Vorbehalte der Eltern ernst zu nehmen, aber nicht davor zu kuschen? Wie wäre es denn zur Abwechslung mit ein bisschen „Füdli“ und Engagement, in dem die Weihnachtsgeschichte in der Schule erzählt und vermittelt wird und die interkonfessionelle und –religiöse Zusammensetzung der Klasse zum Anlass genommen wird, auch über die anderen Religionen zu berichten?

Vielleicht könnten sich die Kinder ja gegenseitig erzählen, welches denn ihre vergleichbaren Feste sind? Am Ende würden Herr und Frau Lehrer noch etwas lernen, wenn sie schon zu faul sind, sich selbst zu engagieren.

Wir leben in einem Land mit christlichen Wurzeln. Weihnacht und auch die Religion, die dazu gehört, kann und soll auch nicht vor Einwohnern anderer Glaubensbekenntnisse fern gehalten werden. Damit verbunden ist das Angebot, zu teilen, zu partizipieren, ohne zu irgend etwas zwingen zu wollen. Wir brauchen den Austausch zwischen den Religonen und nicht die beliebige Ausblendung aller Überzeugungen.

Wenn man mir ein paar Millionen in die Hand drücken würde und mir die Aufgabe stellte, mit ihnen eine Stiftung zu gründen, so hätte ich keine Mühe, den Stiftungszweck zu definieren:
Nichts ist für mich so wichtig wie Bildungsprogramme überall in der Welt, in denen Kinder aller Religionen in Freiheit und Offenheit erzogen werden und das klare Miteinander gefördert wird. Denn nur dann, wenn wir lernen, dass uns alle die gleichen Fragen nach Leben und Sterben beschäftigen, und wir erkennen, dass in den verschiedenen Antworten, die wir finden, sehr viel Gemeinsames liegt, das uns als Brüder und Schwestern ausweist, können wir den unermesslichen Reichtum unserer Kulturen mit einander teilen und von einander profitieren – und uns gegenseitig stärken. Dieser Erkenntnis zum praktischen Durchbruch zu verhelfen, ist Basis jedes friedlichen Zusammenlebens der Menschen. Und es ist weder Allahs noch Jesu Schuld, dass wir uns in deren Namen die Köpfe einschlagen.

Wenn die Schweizer Bildungspolitik und jeder einzelne Mensch, der mit seiner Arbeit Teil des so genannten Lehrkörpers ist, sich nicht um eine Toleranz bemüht, die das eigene religiöse Erbe nicht ausblendet, sonder es vermittelnd mitteilt und den dafür notwendigen Aufwand und den Diskurs in Kauf nimmt, dann wird es bald für solche Bildungsprogamme in der Schweiz akuten Bedarf geben.
Und mit Gegenbewegungen wie der Minarett-Initiative tun sich ja auch schon die Gräben auf, für die eine gesichtslose Bildungspolitik dann auch mit verantwortlich ist.

Ich wünsche Ihnen Allen frohe Weihnachten im Geist jener Menschenliebe, die Jesus vorgelebt hat, und ich freue mich über jedes religiöse Zeichen anderer Kulturen, das mir einen liebevollen, toleranten Blick über die eigenen Zäune erlaubt!

Nachtrag von 14h05:
Mir kommt da noch ein Zitat von Voltaire in den Sinn:

“Mein Herr, ich bin absolut nicht Ihrer Meinung. Aber ich würde mein Leben dafür geben, dass Sie sie äussern dürfen.”