Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Wollen Sie lesen, was ich denke? Ja doch, oder?

∞  20 Februar 2011, 16:25

Blogger-Legitimation ist einzig und allein die glaubhaft erschriebene Authentizität. Warum es also verheerend ist, zu plagieren. Vor allem für den Schreibenden.
So was wie persönliche Blogger-Grundsätze im Lichte der aktuellen Diskussion um Doktor- und andere Schreibarbeiten. Und vom Wert des Eigenen, auch im Kleinen.


Wenn man als kleiner Hobby-Schreiberling ein Blog eröffnet, dann muss das niemanden interessieren. Und vielleicht mag der Leser auch mal denken, dass es gang gut wäre, es gäbe grössere Hindernisse, um sich im Internet auslassen zu können – und nie mehr wiederkommen.

Blogs sind heute zwar ein hingenommener, teilweise sogar respektierter Teil des grossen weiten Webs, aber sie werden oft nur schon deswegen nicht ernst genommen, weil hinter ihnen keine erkennbare Autorität steht, kein Verlagshaus, keine Zeitung, kein bekanntes Medienformat.
Blogger können sich auch alles aus den Fingern saugen, sie werden ja nicht kontrolliert, und der Computerbildschirm ist noch viel geduldiger als jedes Blatt Papier. Blogger betreiben kaum Recherchen, sie sind Reflextäter, die den Gedankenstrich nicht kennen.

Nun, wenn Sie Blogs lesen, haben Sie sich ganz offensichtlich schon ein eigenes anderes Urteil gebildet. Und sei es auch nur für die Blogs, die ihnen eben wichtig geworden sind.

Ich habe eine ganze Reihe von Bloggern kennen gelernt, mit denen mich vor allem eines verbindet:
Die Liebe zur Sprache und der Wille zur eigenen Meinung. Beides beinhaltet auch den Respekt vor jeder Person und jedem Gedanken, der mir Impulsgeber zu den eigenen Überlegungen ist. Während Doktoranden scheinbar wenig Mühe damit haben, zu plagieren, frage ich mich oft, ob es nicht unredlich ist, den Anlass zu einem eigenen Blogbeitrag nicht aufzuführen? Denn oft ist ein Zeitungsartikel oder ein Blogbeitrag der Auslöser für den nächsten eigenen Eintrag. Aber bleiben wir beim Zitat oder dem Einbau fremder Textstellen in einen eigenen Artikel:

Was geschieht denn, wenn ich einen fremden Gedankengang nicht als solchen kennzeichne? Ich täusche damit IMMER meinen Leser. Was hätte dieser Leser denn für eine andere Motivation, hier zu verweilen, als die, meine eigenen Schlussfolgerungen und Betrachtungen zu einem Vorgang zu erfahren? Indem ich ihm den fremden Ursprung nicht verrate, täusche ich seine Wahrnehmung und verweigere ich einem Vordenker die Nennung – obwohl ich seine Gedankenarbeit ganz offensichtlich wertvoll genug finde, um sie selbst zu verwenden. – Niemand kann doch allen Ernstes behaupten, dass eine solche Praxis den Schreibenden nicht in irgend einer Weise in seiner inneren Redlichkeit sich selbst gegenüber korrumpiert!

Die Argumentation, jeder Gedanke wäre schon mal gedacht worden und es gäbe in diesem Sinne gar kein geistiges Eigentum, ist bekannt – und völlig daneben. Denn wer schreibend so argumentiert, ist umgekehrt eitel genug, sich in der Aufmerksamkeit des Lesers zu sonnen – und damit in der Beachtung der eigenen Person. Ich kenne exakt eine einzige Person, die völlig frei davon ist, eine geistige Eigenleistung auch irgendwie als eigene Leistung, als wesentlichen Beitrag für andere erkennen zu wollen.

Wir alle repetieren mit dem Lesen von Texten Wissen, das andere auch schon formulierten. Aber jede neue Kombination von Gedanken in einem persönlichen, eigenen Kontext, mit eigener Gedankenarbeit, Rückschlüssen und Filterungen, bringt mir eine neue Möglichkeit, mir meine eigene Wahrheit, mein Wissen zu erarbeiten.
Würden wir über Liebe nicht mehr reden, weil über die Liebe alles schon einmal gesagt worden ist, so wären wir damit ganz bestimmt nicht glücklich. Wenn uns das Wesen der Liebe durch einen ganz bestimmten Menschen neu erklärt wurde – aus noch so alten Gedanken zusammen gesetzt – so läge uns sehr wohl daran, dies diesem Menschen immer wieder gerne zuzurechnen.

Es liegt doch geradezu eine Pflege der schönen Tradition der eigenen Kontemplation darin, Zitate ganz bewusst zu nennen. Damit ehrt man einen Menschen, der für einen selbst durch eine konkrete Aussage eine Grösse geworden ist, oder einfach ein positiver Wert in einem Augenblick meines Lebens.
Erzählen wir einen Witz, so können wir das jederzeit tun, ohne dass einer annähme, wir hätten diesen selbst erfunden. Aber selbst da merke ich, dass ich ganz gerne jemandem erzähle, woher ich ihn kenne – zumindest dann, wenn mein Zuhörer herzlich lacht und meinen Vorerzähler kennt.

Die korrekte Weitergabe von Gedankengut, das mich bereichert hat, das mir weiterhalf, auch und gerade im gerade zu schreibenden Text, muss im Grunde keine Pflicht sein – sondern eine empfundene Notwendigkeit, um das nicht zu entweihen, was ich selbst mache: Meinen eigenen Text schreiben. Und es ist mein eigener, auch wenn darin nichts steht, was Sie nicht schon wüssten.
Das entscheiden Sie immer selbst, und das ist auch gut so. Aber genau so, wie Sie spontan denken, wenn Sie bei mir lesen, genau so sollen Sie wissen, dass ich spontan geschrieben habe. Unsere Gedanken stehen sich zwischen den Zeilen gegenüber. Und verwende ich ein Zitat, so will ich Ihnen die Gelegenheit geben, den Text und die Person, die mich beeinflusst, selbst auch kennen zu lernen.

Und darum ist jede Diskussion, welche das Wegfallen einer korrekten Zitat-Kultur verharmlost, ein Vorgang, mit dem wir mithelfen, wirklich beliebig zu werden – mit allem, was uns im Grunde ausmacht. Denn auch jede Erfahrung, die Sie haben, liebe Leser, haben andere schon gemacht. Keine davon ist deshalb weniger wertvoll. Im Gegenteil. Das schafft Verbindungen. Ud diese Verbindung suchen Sie immer zur Person, die in Ich-Form zu ihnen spricht.

*

Ein Nachsatz:
Wir reden hier von Gedanken. Beim Transport, der Beschreibung von Gefühlen wird es noch deutlicher, denke ich. Zusammengeschriebenes, nicht selbst Empfundenes kann zwar beim Leser, der immer seine eigene Geschichte liest, durchaus “ankommen”. Aber wie armselig bleibt der Schreibende dann erst recht allein zurück?