Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Wo sie so schwer fällt, die Liebe

∞  22 Januar 2012, 16:52

Um Gelassenheit und Festigkeit zu erwerben, gibt es nur ein Mittel: die Liebe, die Liebe zu deinen Feinden.

Leo Tolstoi



Ja, ja, ich weiss. Diese biblisch anmutende Fähigkeit, jedem anderen Menschen einfach alles vergeben zu können, auch den bewussten Versuch, mir zu schaden: Es gab Zeiten, da schien mir dies das beste und wichtigste Ziel von allen möglichen zu sein. Das ist wohl nicht mehr so. Vor allem dann, wenn ich sehe, dass Menschen, die mich ganz offensichtlich nicht kennen, eine schlechte Meinung von mir haben und sich ablehnend bis feindselig gegenüber mir verhalten, dann macht mir das beinahe Angst: Es gibt kein Mittel dagegen – denn es wird ja gar nicht versucht, die eigene Ansicht zu überprüfen und allenfalls zu korrigieren. Ich sehe einen Menschen vor mir, der sich ein Bild von mir gemacht hat, dies womöglich auch noch mit anderen teilt und sich in der Folge in seinem Urteil gefällt und nur nach einem sucht: Nach der Bestätigung.

Mobbing in allen möglichen Formen ist auch so eine Art der Verselbständigung eines Bildes von einem Menschen unter uns, das zerstörend zu wirken beginnt…

Weiter habe ich je länger je mehr Mühe, in meiner Sorge für das Wohlergehen unserer Ordnungen und Werte die offensichtlichen Ränkespiele von Politikern hinnehmen zu können und darauf zu vertrauen, dass die inneren Korrektive in unserer gesellschaftlichen Ordnung ausreichen werden, solche Protagonisten in Sackgassen zu leiten.

Ich könnte sie also aufzählen, diese Antipoden in meinem Leben, die mir bekannten und die fremden. Die mir bekannten? Auch ich habe ja meine Bilder im Kopf, schütze mich meinerseits gegen Angriffe mit Vereinfachungen und Einordnungen. Und, was will ich denn tun gegen die politischen Grabenkämpfe, als hie und da einen Blogbeitrag zu schreiben und in meinem Leben Position zu beziehen? Wer würde ich werden, wollte ich Dinge beschleunigen oder gar lenken, die sich vermeintlich manipulieren liessen?

Schlussendlich sind die Worte Tolstois eben nicht die Gedanken eines naiven Gläubigen, der an die absolut selbstlose Liebe glaubt, sondern vielmehr die Erkenntnis eines Weisen, der sich nur anzusehen braucht – und zuzuhören:
Ich habe keinen Einfluss auf den Hass oder die Ablehnung meiner Mitmenschen, ich kann sie nicht zwingen, mich anders zu sehen, und ich werde keinen Politiker daran hindern, weitere Bauernfängerei zu betreiben. Ich kann in meiner Beklemmung gefangen bleiben, genau so laut werden und mindestens so verkürzt argumentieren. Ich kann den Stab über Menschen brechen, die das gleiche offensichtlich mit mir getan haben. Oder ich kann den Selbstschutz nicht länger mit dem Seelenfrieden gleich setzen:

Es ist nötig, sich manchmal zu distanzieren und Dingen ihren Lauf lassen zu können, wenn man merkt, dass man deren Fluss nicht stoppen kann. Es ist wichtig, die Anerkennung oder Akzeptanz nicht zu verlangen – oder gar von ihr abhängig zu sein, wo man diese nicht bekommt, mag das noch so unverdient sein. Denn mein innerer Unfrieden wird nicht kleiner, wenn ich mir selbst Scheuklappen aufsetze. Ich sollte also tatsächlich versuchen, das Mitgefühl zu finden und ihm dann auch zu folgen, wenn es nach der Unruhe fragt, welche andere Menschen quält und zu Dingen treibt, die ihnen unmöglich wirklich selbst gut tun können. Wir wissen doch, dass es nicht funktioniert, und darum müssen wir niemandem die Pest wünschen, der sie womöglich schon hat. Ich habe genug zu tun, sie von mir selbst fern zu halten bzw. da wieder los zu werden, wo ich negative Gedanken längst zugelassen habe.