Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Wirklich Offside, so was!

∞  27 Februar 2009, 19:28

Sport ist die wichtigste Nebensache der Welt. Ob man sich deswegen allerdings dabei gleich immer wie ein Goof benehmen muss, möchte ich doch bezweifeln. Je älter ich werde, um so mehr mache ich die Beobachtung, dass es scheinbar normal ist, mit grober Parteilichkeit und entsprechender Subjektivität, um es höflich auszudrücken, alles in Frage zu stellen, was sich gegen den eigenen Erfolg richtet. Schiedsrichterentscheide? Immer falsch, wenn die Hand in die falsche Richtung zeigt. Die Köpfe laufen rot an, es wird gebrüllt, was das Zeug hält.

Kommentatoren und Medien fügen dann gerne an, dass die Betreffenden sich “mit Haut und Haar” für ihre Mannschaft einsetzen und “alles für den Erfolg tun”, also “nichts dem Zufall überlassen”.

Die Spieler? Nein, ich meine die so genannt Offiziellen, Trainer und andere Führungsfiguren, die eigentlich mit ihrer Art ein Stück weit Atmosphäre und Fokussierung auf das Wesentliche vorgeben sollten.
Und ich meine auch nicht den Fussball allein, sondern die Tendenzen im Spitzensport ganz allgemein.

Neuestes Beispiel: WM-Skispringen von der grossen Schanze. Der erste Durchgang fand dem Vernehmen nach (ich habe ihn nicht gesehen) unter annehmbaren, einigermassen konstanten Bedingungen statt. Es führt danach überraschend der Schweizer Andreas Küttel vor Martin Schmitt und dem Norweger Jacobsen.
Drei Springer der Welteltite, die dieses Jahr allerdings kaum je auf dem Treppchen standen. Die Österreicher Schlierenzauer, Loizl und Morgenstern stehen noch neben dem Podest, sind aber in Sprungweite.
Im zweiten Durchgang schneit es und der Wind hat auch zugenommen. Die Spur wird immer langsamer, die Sprünge geraten nicht länger, auch bei den besseren Springern nicht. Der Durchgang wird angehalten, dann abgebrochen und ein Neustart angesetzt.
Das gleiche Spiel. Etwa zehn Springer vor Schluss ist dann wirklich Schluss. Und das bedeutet, dass der erste Durchgang als Endresultat gewertet wird.

Der Trainer, der das am wenigsten verstehen kann, ist, kein Wunder, derjenige des österreichischen Teams. Auf die Frage des ORF, wie er sich zu der Entscheidung stelle, meint er, er könne sie “nicht ganz” nachvollziehen. Die langsamer gewordene Spur will er nicht gelten lassen, die “weltbesten Springer, die man gar nicht mehr runter gelassen hat”, könnten das wettmachen, meint er. Der Mann wird in neuen Branchen noch ganz gross rauskommen. Er muss die Möglichkeit der Umgehung einiger Grundgesetze der Physik entdeckt haben.
Der ORF-Reporter aber ist bemerkenswert fair und gibt seinem Landsmann in der Trainerjacke noch eine Gelegenheit, auf seine Einschätzung zurück zu kommen:
Wir haben jetzt wechselnde Winde von 2 bis zu 6 m/sec. Was sagen Sie dazu?
Antwort: Wenn “er” in der Jury gesessen hätte, dann hätte er den zweiten Durchgang viel schneller “durchgepeitscht”, und dann wäre es gar nie so weit gekommen.

Eher etwas peinlich. Allerdings bin ich wohl Teil des Phänomens: Denn als Schweizer, der den Küttel auch noch als Typ sympathisch findet, und der sich diebisch freut, dass unsere genau zwei Schneehüpfer, die wir überhaupt im Einsatz haben, schon wieder WM-Medaillen abholen, fällt mir das hier natürlich ganz besonders auf: Denn es blamieren sich die anderen als schlechte Verlierer…