Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Wir und unsere Welt

∞  7 August 2010, 18:33

Erdbeben in Haiti, Überschwemmungen in Chile, in Pakistan, in Indien. Wütende Brände in Russland. Wir helfen, wir sammeln Millionen, die Hilfsorganisationen haben vor allem ein Problem: Die Koordination aller willigen Hände. Zumindest zu Anfang. Denken Sie persönlich noch an Haiti? Nach dem ersten Ansturm hat sich dort nur noch herzlich wenig getan. Noch immer leben viele Menschen in Zelten, unter Plastikplanen. Kein Mensch interessiert es mehr. Ich weiss, das ist übertrieben, gegenüber vielen Menschen ungerecht. Aber es demaskiert ein wenig unser aller Verhalten. Wir lassen uns mobilisieren. Die einzelne Katastrophe, weit weg, rüttelt uns auf, und wir gehören gern zu einem Strom guten Willens. Nichts daran ist falsch, denn es lindert ein wenig Not. Vor allem aber ist es ein Fanal, auch für uns selbst:

Was ist mit unserer Hilfsbereitschaft. Wie wird sie geweckt – und wie definieren wir sie selbst? Was rüttelt uns auf, was lässt uns kalt? Mit welchem Finger zeigen wir auf welche Ignoranten? Wir sind wütend über Geldsäcke, die kein Gefühl für die schreienden Ungleichgewichte in der eigenen Gesellschaft haben – und wenn ein Banker Millionen an Boni zurück zahlt, so wundern wir uns, dass “der das einfach so kann” – und finden auch das eine Katastrophe. Ein Stück weit gefällt uns allen an diesen Themen wohl die Tatsache, dass “es” alles weit weg ist. Es hat mit uns nicht wirklich etwas zu tun. Wir können uns kurz mobilisieren lassen als Geldspender oder können uns über die Geldeinsacker echauffieren, und das alles hat keine Konsequenzen. Danach werden wir ja wieder in Ruhe gelassen. Oder wir können uns beklagen, dass sich “nie etwas ändern wird”.

Ich bin gestern vor dem Haus einer alten Dame begegnet. Sie war in Begleitung einer jungen Frau ganz langsam spazieren. Ein sehr schönes Bild, ein Stück Sinn und Freude in einem gewiss sehr beschwerlichen Leben. Die junge Frau trug ein T-Shirt der Spitex.
Wir organisieren und bezahlen uns unsere Formen der Fürsorge. Wir fordern sie ein, wir bezahlen dafür in guten Jahren “à Konto”. Wirklich menschlich wäre aber das Schauen nach links und rechts. Nicht im Fernsehen spielt das Leben, sondern gleich draussen vor der Tür oder dort, wo Menschen in Kopf und Herzen einen Platz haben können.

Bill Gates und Warren Buffet, zwei der reichsten Menschen der Welt,haben öffentlich erklärt, dass sie die Hälfte ihres Vermögens für wohltätige Zwecke spenden wollen. Und sie haben andere Milliardäre dazu aufgefordert, das gleiche zu tun, bzw. sich öffentlich dazu zu verpflichten. Gates hat übrigens in seine eigene wohltätige Stiftung bis heute bereits 28 Milliarden US-$ eingebracht. Natürlich sind das verrückte Summen. Aber es liegt ganz allein an uns, was wir darin sehen wollen: Eine Goodwill-Kampagne der absolut Sorglosen, oder das Mustervorgehen für eine bessere Welt für besser gleichgestellte Menschen. Schlussendlich liegt es an uns allen, das Gute zu sehen, es zu bejahen, uns mobilisieren zu lassen, statt auf mehr oder anderes zu warten. Wir machen uns die Welt so, wie sie ist. Es ist nie nur die Angelegenheit der anderen. Das beginnt bei jeder persönlichen Reaktion auf eine go genannt gute oder schlechte Nachricht.

Menschen wie Gates und Buffet haben sich jenes Gefühl bewahrt, das wir alle mit Recht unbedingt erkennen wollen: Das Bewusstsein, mitverantwortlicher Teil für ein Ganzes zu sein. Wenn es wieder mehr vermögende Menschen gibt, die sich in gemeinschaftliche Aktivitäten einbringen, ist das ein direkter Kontrapunkt zu einem Mainstream der ungezügelten Gier, wie wir ihn sonst so oft ausmachen.