Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Wir Trickser und Fälscher

∞  1 Mai 2012, 11:26

Wir Menschlein sind schon abgeschlagene Gauner. Nichts macht das so deutlich wie unser Verhalten im Netz.

istockphoto.com/koun

Stern.de berichtete gestern [via mycomfor.de], dass durchschnittlich jeder vierte Kommentar zu Produkten bei Amazon etc. gefälscht ist. Es gibt gar Agenturen, die im Auftrag von Herstellern von Produkten gezielt wohlgefällige Kommentare platzieren. Dabei wird so ausgeklügelt vorgegangen, dass beim Check keiner dieser Kommentare von Shops als gefälscht erkannt wurde (wenn das denn überhaupt gewollt wäre) – und auch keiner irgend eine Sperre nicht passiert hätte.

Persönlich lese ich manchmal solche Bewertungen auch, aber ich verifiziere eine Aussage – ob positiv oder negativ – immer auf einem zweiten Weg.

Bevor man aber nun mit dem Finger auf die Gauner zeigt, kann man sich ja ein bisschen umsehen und darauf achten, wonach irgendwelche Anbieter im Internet ihren Auftritt ausrichten – und dem praktisch alles opfern, was ihnen an Content eigentlich wichtig wäre: Entscheidend sind die Clicks. Besucherströme. Und wenn sie durch ein bestimmtes Bild gebunden oder angelockt werden, statt durch den Inhalt eines Textes – ja, was wird wohl dann geschehen? Jede Zeitung, die gemacht wird, hat sich schlussendlich dem Aufmerksamkeitsprinzip zu unterwerfen, jede “Abhandlung” im Netz über die “richtige” Verwendung von Facebook beschäftigt sich damit: Wie generiere ich Aufmerksamkeit. Und darunter versteht man immer Masse. Wir sind uns gar nicht bewusst, wie viel Schein wir in alle unsere Lebensbereiche eindringen lassen. Und so werden auch wir Blogger zu Häschern dieser Aufmerksamkeitsfetzen. Wie hoch gingen doch die Debatten zu Beginn, was denn zu tun wäre, damit man Leser an die eigene Seite binden könne? Wie viele Kommentare werden mit dem einzigen Ziel geschrieben, eine Spur zum eigenen Auftritt zu legen?

Wer schreibt denn noch vertieft, einfach des Schreibens willen? Um seine eigene Gedankenwelt zu bauen, zu festigen, auch gewillt, sie korrigieren zu lassen durch ebenso verfasste Einwände? Welcher Journalist hat Zeit, mehr zu produzieren als Buchstaben? Natürlich ist das sicher übertrieben und protestiert nun hoffentlich jeder. Aber wenn wir uns selbst überprüfen, so werden wir feststellen, dass es in unser aller Leben immer mehr Aufmerksamkeitserhascher gibt – und umgekehrt Aufenthaltsdefizite. Wir tun alles zu jeder Zeit, und immer mehr gleichzeitig. Das Leben verliert immer mehr feste Ordnungen, und statt dass es an Überraschungen gewänne, wird es zerfahrener, franst nach allen Seiten aus und verliert immer mehr von seiner Ruhe. Und diese Ruhe ist ja marktwirtschaftlich ein Graus und ganz und gar nicht im Sinne jener, die Sie ansprechen wollen.

Also bitte, schliessen Sie jetzt den Browser nicht und klappen den Laptop zu und setzen sich womöglich auf den Balkon. Es gibt noch so viel Interessantes zu entdecken.