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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Wir - die Mahner dieser Welt?

∞  17 Juni 2012, 15:21

Die Entwicklung, welche die ägyptische Revolution nimmt, ist bestimmt für viele Freunde der Demokratie im Westen eine Enttäuschung, und erst recht gilt das für Menschen, die mit dem Einsatz ihres Lebens für Verbesserungen und mehr Mitbestimmung gekämpft haben. Wenn vom arabischen Frühling nur ein Herbstnebel übrig bleibt, in dessen Dunst sich Menschen aus dem alten Machtgefüge und die Muslimbrüderschaft die Macht im Lande teilen, dann muss das niemand positiv finden – ganz abgesehen von der Befürchtung, dass damit das Land vor neuen Unruhen und aufbrechenden Zerwürfnissen stehen dürfte.

Diese Befürchtung zu äussern ist das eine, die Art Einfluss, die man darauf nimmt und die dabei gewählte Retorik das andere: Einmal mehr beschleicht mich ein ungutes Gefühl, wenn ich dazu die Staements der US-amerikanischen Regierung lese, in diesem Fall in der Person der Aussenministerin Hillary Clinton, die mit den Worten zitiert wird, sie “erwarte” «eine vollständige Machtübergabe» an eine demokratisch legitimierte Zivilregierung.

Nun steckt darin viel Kalkül und der Versuch, in der Aussenpolitik Druck aufzusetzen, und manches davon verpufft wie Äther bzw. stört uns nicht, da es vermeintlich in die uns genehme Richtung zielt. Angesichts der konkreten “Einflussnahmen” der jüngeren Vergangenheit stelle ich aber an mir selber fest, wie meine inneren Widerstände bei solchen Meldungen wachsen:

Was massen “wir”, was masst sich die USA an Einmischung da an? Die Erstarkung der arabischen und muslimischen Bedeutung in der Welt stärkt auch ein wenig das Bewusstsein für deren Befindlichkeiten und macht deutlich, dass der Westen mit dem Vorwand, Anwalt für Demoratisieriungsprozesse sein zu wollen, die angeblich über allem stehen, sich ganz bestimmt eine Einflussnahme herausnimmt, die nationale Befindlichkeiten weitherum verletzt.

Ganz bestimmt ist es notwendig, Menschen, die für Demokatisierungen einstehen, wo auch immer, moralisch und politisch zu unterstützen. Den Ton, der dies nach Möglichkeit unterstützt, trifft der Westen aber ganz bestimmt sehr häufig nicht, und in unserem Glauben, demokratische Regierungsformen wären jedem Land mit jeder historischen Tradition und politischer bisheriger Gepflogenheit überzustülpen wie ein Designerkleid einer Schaufensterpuppe, ecken wir zwangsläufig an.

Schlussendlich gibt es nationale und regionale Souveränitäten und eine Entwicklung aus der wirklich im Land fussenden Tradition, und jede von aussen beschleunigte Veränderung bedeutet eine Entwurzelung. So lange wir umgekehrt nicht bereit sind, gemäss unseren politischen Überzeugungen wirtschaftliche Interessen auch mal zurück zu stellen, haben wir selbst wenig Legitimation, von fremden Mächten Verzicht auf die Ausübung von Macht zu fordern. Wie auch? Wir leben nach dem gleichen Prinzip der Macht des Stärkeren, und wir haben sehr viel damit zu tun, dabei nicht die Grundprinzipien dieser Demokratie, die wir doch so hoch halten wollen, nicht selbst bei uns auszuhebeln – unter dem Vorwand mangelnder Flexibilität, zu träger Entscheidungsfindung etc. etc.

Clinton warnt Kairo vor Rückfall im Demokratisierungsprozess
via mycomfor.com