Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Wie weit führt unsere grüne Vernunft?

∞  7 April 2011, 09:28

Wahlen rundum: Erstmals sind grüne Themen in der Wahrnehmung der Menschen existenziell wichtig.


Ökologie, so hiess es immer, wäre ein Luxusthema. Wie häufig habe ich mich über unser Verhalten an der Urne geärgert! Grüne Themen waren immer willkommen. Nach dem Motto: “Man sollte schon” war jeder für Mülltrennung. Aber das konnte sich an der Urne nicht auswirken, denn ziemlich sicher gab es ein Thema, das die Menschen höher gewichteten:

Ein wirtschaftliches Thema. Die Gefahr von Arbeitslosigkeit, zum Beispiel, oder unsichere Renten. Existenzielle Angst oder Lebensgestaltung in Freiheit haben wir noch immer von der Tankstelle, dem Job, dem Freizeitangebot abhängig gemacht. “Perspektive” hatte mit Karriereplanung zu tun oder mit Frühpensionierung. Themen wie “das Klima” blieben abstrakt.

Die Gründe für Arbeitslosigkeit, die Voraussetzungen für wirtschaftliche Prosperität – das liessen wir uns vorbeten, den Argumenten glaubten wir. Das Klima aber konnte warten. Wo, bitteschön, waren denn die gesicherten Erkenntnisse? Welche Interessen steuerten denn welche Informationskanäle?

Auch in der aktuellen Situation gäbe es genug Gründe, wirtschaftliche Sorgen anzuführen. Die Demographie bedroht unsere Renten, die Staatsverschuldungen steigen ins Unermessliche, das Bankengefüge wirkt nach wie vor fragil, die Stabilität des Euro bleibt schwer angeschlagen, die Zinsen werden wieder steigen.

Und doch haben grüne Themen die aktuellen Wahlgänge beeinflusst, ja bestimmt. Das Sinnbild einer radioaktiven Umweltkatastrophe, von uns Menschen zu verantworten, in ihren Auswirkungen nicht abschätzbar, noch nicht mal in ihren aktuellen Belastungen direkt erkennbar, hat uns bzw. der Politik einen Spiegel vorgehalten. Ob das auch so wäre, wenn in Japan nur ein Tsunami gewütet hätte, ist wohl zu bezweifeln.

Ob wir wirklich dauerhaft Korrekturen an unseren Bewertungen, in unserem Gefühl für Sicherheiten vornehmen können, bleibt abzuwarten. Eines dürfte auf jeden Fall bleiben: Noch selten ist dem Bürger so klar vorgeführt worden, wie sehr seine Regierungen selbst im Trüben fischen. Es mag sein, dass sie dabei nicht nur nach den eigenen Vorteilen schielen – aber kaum ein Parteienpolitiker mag noch zu verschleiern, wie viel Interessenpolitik er eigentlich betreibt, und wie wenig Übersicht und Willen fürs Gemeinwohl geblieben ist.

Und die Grünen? Sie werden dennoch an der neuen Konstellation ein Stück weit verglühen können. Dann nämlich, wenn der an sich gewünschte Umbau, die Neuausrichtung, die Besinnung, zu schmerzen begänne. Wenn diie Konsequenz etwas kostet. Wenn der langfristige Wandel in unserem Energieverbrauch schon kurzfristige Abkehr von lieben Selbstverständlichkeiten bedeuten würde…

Es ist viel grüner geworden. Vom Kopf mit seinem Wunsch bis zur Haltung mitsamt der Tat bleibt aber noch ein weiter Weg. Für uns Alle.