Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Wie steht es um unseren eigenen Willen zu geteilter Zeit?

∞  27 Oktober 2012, 14:45

Wir haben alle furchtbar wichtige Jobs. Oder dringende Aufgaben. Wir klagen über Pendenzen, haben Stress mit To-Do-Listen und arbeiten uns ab. Aber wir tun es mit einem Filter, einer Skala, die “wichtig” und “unwichtig” sehr subjektiv unterscheidet.

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Wir reden vom Segen der Teilzeitarbeit, kriegen die Modelle aber nicht wirklich befriedigend geregelt. Wenn wir ganz ehrlich sind, dann nervt es uns, dass die Sachbearbeiterin beim Partnerunternehmen nur Montag, Mittwoch und Freitagmorgen arbeitet, und wir daran denken müssen, die Arbeitsvergaben und das Nachfassen entsprechend zu timen. Und arbeiten wir als Selbständige oder in einer Führungsposition Teilzeit, so ist es eine komplette Illusion, zu meinen, die Funktionen als Privat- und Geschäftsperson liessen sich fortwährend gedanklich und zeitlich sauber auseinander halten: Wer ein Problem hat, will es los werden – und Kunden wollen vor allem und zumindest ihr Anliegen deponieren und sicher gehen können, dass es zeitnah erledigt wird. Und darum ist eine teilzeitige Geschäftsperson zwischen Erziehung der Kinder, Ausflug mit dem Partner und Hausarbeit immer wieder Geschäftsperson – und beileibe und ganz sicher nicht beständig gemäss dem selbst gewollten Zeitmanagement.

Dazu kommt noch etwas, das uns einen zusätzlichen Knüppel zwischen die Beine wirft: Was ist wohl wichtiger? Die Apfelschnitze für den Strudel fertig zu hacken und dafür zu sorgen, dass die Früchte nicht anlaufen, oder den Telefonanruf aus dem Geschäft anzunehmen?

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Sie finden die Frage rein rhetorisch? Eben. Genau das ist das Problem. Die meisten Menschen mit für sie wichtigen Jobs leben aber in einem Umfeld, in dem jemand die Prioritäten stellvertretend für sie anders setzt und Zeit haben fürs Kochen, den Transport der Kinder, die Ferienplanung, den Ausflug, die undichte Fuge an der Tür, die knarrende Türe, deren Angeln Öl brauchen. Geht es strub zu und her, gibt es da diesen giftigen Gedanken: Mach Du, ich habe was Wichtigeres zu tun.

Defniere wichtig: Das wäre eben ein Ansatz, der die Dinge ein bisschen umkehren oder wenigstens gerade rücken würde. Mir machen Menschen enorm Eindruck, die für sich beschliessen können, was ihnen wirklich wichtig ist. Und die daraus eine Ordnung ableiten, die eine Behaglichkeit schafft, in die man hinein fallen kann, um, zum Beispiel, Gast zu sein. Wir schaden uns und unserem Lebensgefühl ungemein, wenn wir die Wertung nicht aus unserem Kopf bringen, die uns weis machen will, dass Hausarbeit, nur so zum Beispiel, nichts oder einen geringeren Wert hat als ein Projekt im Geschäft. Wir sollten mal prüfen, ob man den Kartoffelschäler wirklich für jedes Klingeln fallen lassen muss. Und wir könnten dabei womöglich feststellen, dass, o Wunder, der Anrufer kein Problem damit hat, später zurück gerufen zu werden – und dann womöglich noch mit einer entspannten und relaxten und darum konzentrierten Person kompetent reden zu können.

Paare, die sich eine Arbeitsteilung heute noch zutrauen, in der ein Partner zuhause bleibt und sich den entsprechenden Arbeiten widmet, sind gefordert, sich selbst ein Netz zu schaffen, in dem beide geborgen sind und von einander wissen, dass der andere um beider Beitrag zu diesem Netz weiss, samt materieller Absicherungen, wo sie denn möglich sind – und sie sind oft möglich. Dabei fängt es damit an, dass, egal, was gespart werden kann, beide Teile des Familienunternehmens wirklich über ihr eigenes Geld verfügen können und daraus die gemeinsamen Ausgaben bestreiten: Wer die Kooperation für eine Familie eingeht, muss est einmal in dieser inneren Firma die faktische Parität schaffen und damit zum Ausdruck bringen, ganz real und pekuniär, dass die Arbeit zuhause für das Unternehmen Familie den gleichen Wert hat wie die Arbeit in der Firma. Was spricht also dagegen, der eigenen Frau einen Lohn zu zahlen?

Unser Gerede über Teilzeitmodelle bleibt ein Gerede, wenn wir uns darin erschöpfen, zum Beispiel Forderungen für Betreuungsangebote der Kinder an den Staat zu richten, während wir zuhause nur mit Alibihandlungen beweisen, dass es uns ernst ist mit der wirklichen Gleichstellung.