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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Wie Gott uns fremd wird - und die Natur

∞  15 März 2013, 12:18

Zur “Moderne” der Menschheit gehört, dass sie ihre Gottesfürchtigkeit verliert. Das wird, ohne Wertung, auch den islamistischen Kulturen widerfahren. Doch ich will bei der Welt bleiben, die ich kenne: Was gewinnen wir damit und was verlieren wir?

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“Aufgeklärte” Menschen, die in der Religion ein Gängelband, eine Negierung der inneren Vernunft, einen Verzicht auf Eigenständigkeit und Selbstbestimmung sehen, nennen das Fortschritt. Gläubige, die einen für sie sehr konkreten Glauben leben, empfinden die Welt als emotional verkümmernden Raum, in dem die Kälte und Orientierungslosigkeit zunimmt.

In jedem Fall ist immer das Gleiche zu beobachten: Mit fortschreitendem Wohlstand, freier Wissenschaft und dem Plebiszit der Selbstbestimmung des Menschen verändert sich dessen Einstellung zur Natur: War sie ursprünglich eine Urgewalt, der man ohne Rituale zur Besänftigung der Kräfte schutzlos ausgeliefert war, so wird aus ihr mit der Zeit ein Netz von Mechanismen, das beherrschbar scheint, verstanden wird und nurmehr eine Lebensvoraussetzung darstellt, die sich der Mensch aneignet: Er versteht jenen Teil der Natur, den er sieht, immer besser, indem er sichtbare Kausalitäten begründen lernt, bis ihm jeder Zauber jenseits des konkreten Ablaufs abhanden kommt und der Satz für ihn nicht mehr zu gelten scheint, dass sein Wissensstand auch der Stand seines Unwissens ist… Wohin uns das führt, mögen wir noch offen lassen wollen, eindeutig aber ist dies:

Je besser wir die Natur erklären können, je mehr wir in allen Formen der Kunst nicht mehr nur den Zauber der Staunenden verkünden können, weil er längst dem tiefen Zweifel an jeder Form unserer voreiligen Wirklichkeit gewichen ist, je weniger wir Gott im Unbekannten vermuten, je weniger sind wir, obwohl Geschöpfe zwischen Geburt und Tod, Teil der Natur. Sie wird uns fremd, bleibt als Lebensgrundlage zentral, soll aber nicht nur verstanden, sondern genutzt und verändert werden – die Steuerung und Manipulation wird versucht – und am Ende immer scheitern.

Und so gehen wir nicht auf der Erde, sondern auf Teer, riechen Parfum statt Blütenkelche, verweilen im Spa statt am Fluss, essen or-sol statt vom Baum, der, wenn schon, niedrige Stämme haben soll. Wir optimieren erst die Nahrung, dann mehren wir sie nur noch – und sind in allem Verursacher, aber auch Empfänger einer Entwicklung, die wir nicht so vorausgesehen haben, immer wieder nicht – bis wir wieder nach Gott fragen werden.