Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Wider das Selbstgerechte

∞  11 Mai 2013, 07:00

SMS zum Tag:

Man stelle sich die Welt ohne selbstgerechte Menschen vor: Keine Verurteilungen anderer, mehr ehrliche Versuche, mit den eigenen Ungehörigkeiten umzugehen.

Man kann sich so sehr gefallen in moralischen Ansprüchen, in Bigotterie, in der Anwaltschaft für einen lieben Menschen. Gerade IHM darf doch keine Missgunst erwachsen… und dabei übersehen wir, dass es in unser aller Leben genau so ist: Wir finden Menschen toll, mit denen andere rein gar nichts anfangen können. Und umgekehrt. Und übers Kreuz. Sympathie, Offenheit, Wellenlängen, Chemie, Sprache, Timing – es gibt so viele Dinge, rein subjektive, die bestimmen, ob uns jemand sympathisch ist, ob wir uns öffnen können oder nicht.

Wir können andere auch für alles Mögliche verantwortlich machen. Wie kann er nur? Und verkennen dabei, dass wir nie alle Seiten einer Relation sehen, und während wir urteilen, ist es für uns ganz einfach, die andere Sicht ganz aussen vor zu lassen. Wir urteilen laufend aus dem Stand unseres aktuellen Nichtwissens. Wir tun es als Nachrichtenkonsument genau so, wie wenn wir unser Beziehungsumfeld pflegen oder eben nicht.

Wir sind darauf angewiesen, in bestimmtem Masse, unseren Instinkt Selektionen vornehmen zu lassen – aber wir sollten uns immer bewusst sein, dass wir im Grunde keinerlei Kompetenz und damit nicht das Recht haben, über irgend einen Menschen wirklich zu urteilen.

Wir teilen ihn ein, wir ordnen ihn zu. Manchmal ist das nötig, für die eigene Psychohygiene oder auch nur, um uns nicht auf eine Person zu fixieren. Vielleicht gehört er für uns zu den Bösen. Weil es für uns gesünder ist. Oder auch einfach schlicht, weil wir es nicht besser wissen.

Wir kennen keinen Menschen tief genug, um über ihn wirklich urteilen zu können. Wir können und müssen entscheiden, ob er uns gut tut, oder nicht. Aber dieser Böse ist für jemand anders der Liebste. Und allein schon deshalb sollten wir vorsichtig sein und den Grundrespekt wahren – auch angesichts des Schocks, der uns durchrüttelt, wenn wir uns getäuscht haben, und zwar so sehr, dass wir es gar nicht ignorieren können.