Mein Schreiben. Täglich.

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Wer muss was leisten - und sicherstellen?

∞  15 März 2010, 13:05

Ein Artikel des Psychiaters Klaus Lieb in der Zeit vom 11. März 2010 lädt geradewegs zu weiteren Gedankenspielen ein:

Es geht darin um Hirndoping und das mögliche zukünftige Interesse der Pharmaindustrie, ihre Forschung auf Medikamente für Gesunde zu konzentrieren, welche entsprechende Mittel zur Steigerung der Leistungsfähigkeit durchaus einzunehmen bereit sind – oder zukünftig vermehrt einnehmen würden, wenn die Sache mit den Nebenwirkungen beiseite gewischt werden kann. Lieb wörtlich:


Die Pharmaindustrie könnte das Interesse verlieren, nach neuen Wirkstoffen gegen bestimmte Erkrankungen zu suchen, und sich stattdessen auf den sehr viel lukrativeren Markt der Gesunden konzentrieren.


Da können einem eine ganze Reihe weiterer Mechanismen in den Sinn kommen, nicht wahr? Z.B. die Malaria-Bekämpfung für Afrikaner in Afrika oder die Aids-Problematik am gleichen Ort. Geforscht wird, was wirtschaftlich lohnt. Der Mechnismus ist logisch – zumindest makroökonomisch betrachtet. Und evolutionsbiologisch? Es könnte bedeuten, dass die Spezies Mensch seine Abwehrmechanismen gegen Bedrohungen vermehrt nach dem Profit durch die Behandlung vermögender kleiner Volksgruppen ausrichtet, und nicht danach, wo durch was wie viele Menschen bedroht sind. Und vielleicht schiessen wir uns am Ende genau mit solchen Dingen endgültig ins Bein: Indem wir unsere Innovationskraft auf zivilisatorische Superhypes der Gesundheitsvorsorge, mehr noch, der Leistungs- und Spassoptimierung richten, bis definitiv zu viele Benachteiligte vom Karren der Weltgemeinschaft kippen.

Vor allem aber sind diese Beispiele und Tendenzen doch dazu da, aufzuzeigen, was auf einem privatisierten Markt IMMER geschieht: Übernimmt die Privatwirtschaft das Zepter, wird anfänglich ein Leistungs- und Versorgungsapparat akzeptiert, anschliessend der Wettbewerb reklamiert und schliesslich über den Versorgungsaufwand lamentiert. Oder der Grund dafür eliminiert und das Leistungsspektrum ausgedünnt.
Ich weiss nicht, wie vertrauensselig man sein muss, die Privatisierung grundlegender Versorgungsleistungen tatsächlich ohne jede Einschränkung befürworten zu wollen:

Die grundlegende Energie- und Wasserversorgung, Bildung, Post und öffentlicher Verkehr: Sie gehören nicht in private Hände und in jedem Fall unter die Supervision des Souveräns, also des Volkes oder Staates: Ich persönlich will Grundsicherheit in der Versorgung für alle – und Verbindung mit allen. Ja, ich will, dass das Postauto ins Bergdorf fährt, regelmässig, und ich will, dass es auch an solchen Orten Poststellen mit dem kompletten Basisangebot gibt. Und ich kenne persönlich keinen Betrieb, der sich solches leisten würde und könnte, wenn er denn irgend einem Investor Rechenschaft ablegen muss. Völlig logisch. Wir reden hier vom Luxus, den wir uns bewusst für eine Diversität der Lebensformen und für einen Unterhalt aller Regionen und Versorgungsgrundlagen leisten sollten – wenn uns denn unsere relative Unabhängigkeit und die Zusammengehörigkeit aller Regionen wichtig ist. Wir reden hier von Staatsaufgaben, und da ist mir persönlich die Unruhe lieber, die mich fragen lässt, ob der Staat diese Dienste zu teuer unterhält, als die, ob die Privatwirtschaft damit zuviel Gewinn macht.