Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Wer ist Kirche?

∞  11 Juli 2007, 20:21

Pamphlet und Vertiefung


Der Papst hat also gesprochen und bekräftigt, was im Grunde eh schon galt. Und damit das getan, worin Päpste immer schon gut waren so lange ich auf Erden bin:
Den Status Quo zementieren.

Jetzt hat Benedikt der XVI. den Protestanten das Recht abgesprochen, ihre Glaubensgemeinschaft Kirche zu nennen.
So lese ich es zumindest heute in der Presse.
Dabei hat nie etwas anderes gegolten. Der Papst und die katholische Kirche haben gar nie ein solches “Recht” erteilt. Man hat das heisse Eisen einfach nicht angerührt. Nur ist es leider so, dass Eisen nicht weicher wird, wenn es erkaltet. Und verschwinden wird es so schon gar nicht.

Dass die Protestanten umgekehrt gar nie auf den Gedanken kämen, den Papst zu fragen, ob sie denn, wie er meint, nur eine kirchliche Gemeinschaft wären, oder eben eine Kirche, macht das Problem der Oekumene nicht kleiner (aber auch nicht grösser, ehrlich gesagt, denn ich bin lieber Teil einer Gemeinschaft als Gestein einer Kirche, aber da verstehe wahrscheinlich ICH etwas falsch).

Hier geht es um Autorität, und da macht dem Papst niemand was vor. Und so stellt er messerscharf fest, andere Kirchen oder eben Gemeinschaften als die katholische könnten sich nicht auf die “apostolische Sukzession” berufen.

Also, ich habe über die Apostel in der reformierten Kirche (Verzeihung) weit mehr erfahren als in der katholischen Kirche (aber gerne!), die ich nicht gar so selten ebenfalls besucht habe (ohne mich als nur gemeinschaftlich reformiert zu outen, nochmals Verzeihung), aber da verstehe ich ja nochmals was falsch. Es geht ja um Autorität, siehe oben.

Dass “wir Reformierten” (auch so eine Bezeichnung, die Wertung suggeriert) auch obrigkeitlich (reformiert) sanktioniert die römisch-katholische Kirche als Schwesterkirche anerkennen können, löst das Problem auch nicht, ja zeigt nur den doppelten Graben: Wir sind ja nicht mal als (geratene oder ungeratene) Tochter gelitten, wie können wir dann Schwester sein?

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Das war jetzt das Pamphlet. Es folgt eine ernst gemeinte Vertiefung:

Als Thinkabouts vor 21 Jahren bekundeten, zusammen in den Hafen der Ehe segeln zu wollen, und zwar durchaus mit dem Segen Gottes, war unser Erstaunen gross, als uns die Eltern auf die Schwierigkeiten einer “gemischten Ehe” hinwiesen. Sie hatten noch hautnah erlebt, wie solche “Unstimmigkeiten” durchaus den Alltag prägen oder zumindest in Frage stellen konnten.

Nun, wir fanden problemlos einen katholischen Pfarrer und eine reformierte Pfarrerin, die uns ökumenisch trauten und in unserem Alltag war die unterschiedliche Konfession nie ein Thema. Tatsache aber ist, dass das Engagement der Kirchen und deren Geistlicher sich darin erschöpft, die Realität und das persönliche Empfinden an den Kirchendogmen vorbei zu leben. Und dies eckt deshalb im Ergebnis nicht an, weil die Gesellschaft gegenüber kirchlich-konfessionellen Fragen gleichgültiger geworden ist: Was nicht mehr so wichtig ist, wird achselzuckend toleriert und dann, eben, Toleranz genannt. Was aber völlig fehl am Platz ist.

Wenn der Papst also daran erinnert, wie die Lehre ist, dann fördert er im Grunde die Auseinandersetzung mit der Frage der Ökumene mehr, als dass er sie blockiert. Und er verhindert gleichzeitig, dass die katholische Kirche in ihrer Autorität und Distanz zu den Gläubigen sich heimlich entfremdet und ad absurdum führt, weil das Verhalten der Gläubigen UND des Klerus eine der Theorie völlig zuwider laufende Praxis ist. Diese Form der Untergrabung ist wirklich ein Problem für die Authorität, die eine Kirche braucht: Sie muss verkünden, woran sie glaubt und danach leben.

Wenn dies für den katholischen Klerus diese Haltung in Kirchenfragen ist, dann ist es nur konsequent, es auch ohne Wischiwaschi zu sagen. Es mag sein, dass dies nicht die Meinung vieler Gläubiger ist. Aber DAS ist dann Teil der Auseinandersetzung unter Katholiken.

——

Die Kirche muss sich aus sich selbst erneuern, also durch Lehre und Nachfolge oder eben Widerspruch ihrer Gläubigen – und wir, die wir immer wieder an der schieren Sturheit der katholischen Kirche verzweifeln mögen, verkennen nur zu leicht, dass eine Glaubenslehre vom Wort Gottes nie demokratisch sein kann, da sie eine Wahrheit zu kennen glaubt, die sie im besten Fall neu bedenkt, aber sicher nie umkehrt.