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Wenn sich nicht mal mehr Brasilianer von Fussball ablenken lassen...

∞  20 Juni 2013, 20:16

In Brasilien sind für heute Donnerstag in 15 Städten Protestkundgebungen angesagt.


credit: istockphoto.com/alashi: Break Out Of Your Shell.



In DEM Fussballland schlechthin ist die Mini-WM, der Confed-Cup, mit dem ein Jahr vor der Weltmeisterschaft die Organisation überprüft wird, dem Volk nicht Anlass, in Vorfreude aufzugehen und Party zu feiern – sondern seinen Unmut auf die Strasse zu tragen. So richtig versteht mancher Beobachter gar nicht, woher die plötzliche Dynamik der Proteste kommt. Es ist wohl so, dass die Mini-WM im Prunk der neu renovierten oder gebauten Stadien zu hohen Eintrittspreisen den echten Fans vor Augen führt, dass das Geschäft mit dem Fussball nicht wirklich mit ihnen rechnet: Die Eintrittspreise sind hoch, das Fussvolk bleibt draussen – und die Mini-WM wird ungewollt zu einem Sinnbild für die weitere Kommerzialisierung des Fussballs als Geschäft. Der Sport wird der Strasse genommen, die Mächtigen eignen sich den Volkssport an.

Auf dem Weg dahin ist für den Anteil am Kuchen diesen Mächtigen alles genau so unheilig wie eh und je, und die Machenschaften um Vetternwirtschaft und Korruption werden hier erst recht angewandt. Und die Politiker, die sich vom Volk wählen lassen, fühlen sich nicht wirklich diesem Volk gegenüber verantwortlich.

Diese Erkenntnis mag nicht nur in Südamerika lapidar erscheinen, aber was die Sache richtig gefährlich macht, ist die Art, wie die Mechanismen zu Tage treten, sichtbar werden und die Gier den Gesichtern die Schminke von den Fratzen reisst. Die Ausdrucksweise mag gar blumig erscheinen, südländisch eben, aber genau dort kocht der soziale Konflikt besonders knapp unter der Oberfläche, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Welle nach Europa überschwappt. Und nicht wenige denken dabei nicht nur an Städte in Spanien oder Italien – sondern auch an Paris, wo die sozialen Unterschiede zwischen Migranten und Franzosen besonders krass sind – und sich auch in der Vergangenheit schon an kleineren Initialzündern entflammt haben. Ich mache mir Sorgen um unseren sozialen Frieden – aber auch um die nach wie vor sehr unzureichend ausgebildete Nähe der Politiker zu ihrem Volk. Wenn schon nicht aus Sorge, so doch aus Angst oder zumindest Respekt gegenüber der Sprengkraft einer Massenbewegung auf der Strasse sollte die Politik mehr als nur Worte für die Deeskalation suchen…

DWN: Harvard-Ökonom: Paris könnte schon im Sommer brennen.