Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Wenn der Körper mehr leidet, als die Seele wollte

∞  4 Februar 2014, 19:22

Mein Körper gehört mir! Der Ausspruch ist populär und Teil der feministischen Bewegung, hat in so manchem gesellschaftlichen Kontext ganz wichtige Botschaften ausgesendet. Aber wie halten wir es mit diesem Spruch, wenn dieser Körper krank ist? Wenn unser liebster Liebmensch krank wird?

Wenn plötzlich nichts mehr ist wie zuvor, oder wenn Behandlungen nicht anschlagen? Wie halten wir es damit, wenn dieser Mensch plötzlich sagt: Ich mag nicht mehr?
Oder wie bereiten wir uns vor auf eigene Anfechtungen? Wie erst ist es uns mit der Selbstbestimmung über Körper und Geist, die wir so gerne und so “logisch” als wichtig betrachten, wenn wir von einer Krankheit herausgefordert werden?

Wie gross wird unsere Angst, wie gelassen können wir wieder werden, wenn der Schock vorüber ist, oder sich einebnet im Bewusstsein?

Es gibt so viele Menschen mit klarem Blick für das, was für sie in Frage kommt, und was nicht – und so viele ganz unterschiedliche Lebenssituationen, welche diesen klaren Blick fragend werden lassen. Da ist der eine Krebspatient, bei dem die Krankheit rasend schnell voran schreitet, und der vielleicht nur noch entscheiden kann, ob er auch die nächste Chemo oder Bestrahlung noch will? Und es doch sehr oft nochmals über sich ergehen lässt. Da ist der reflektierende Mensch, der seit Jahren mit seiner Krankheit leben muss, nicht will, aber doch immer wieder sich dem Krankenhausgang stellt, müde wird, Erwartungen verliert, Träume, und doch weiter macht, für viele Menschen in seinem Umfeld eine Inspiration bleibt, auch wenn er von sich selbst glaubt, dass mit ihm nicht mehr viel anzufangen sei.

Was macht uns das Leben lebenswert? Die Frage kann – je nach Lebenssituation – ganz veschiedene Antworten kennen. Und ich vermag schon länger nicht mehr zu sagen, mit welcher Antwort welchem Menschen genau zu helfen wäre. Ich glaube, dass es hier erst recht, noch viel mehr wie bei anderen Aufgaben, nur darum gehen kann, mitzuhelfen, die Fragen zu stellen, sie zu erarbeiten, Mut für sie zu machen – und den Liebesdienst anzubieten, auch die Antwort respektieren zu wollen. Meine Angst vor dem Verlust, vor dem Abschied, mein kindliches Träumen, dass alles wieder gut oder zumindest viel besser kommen könnte – es darf auch sein, aber es sollte nicht als Belastung für den Kranken stehen bleiben. Er soll spüren, dass er geliebt wird, aber auch, dass er nicht mehr zu leisten hat, als das, was er selbst erbringen will.

Wir trennen uns alle, irgendwann, werden getrennt. Und doch gehören wir zusammen, als Menschen mit den immerwährenden gleichen Aufgabenstellungen – von denen wir uns aber längst nicht alle aneignen müssen, schon gar nicht diejengien, die von aussen an uns heran getragen werden. Es kommt der Moment, in dem wir wissen, was nun sein darf und nicht mehr sein muss – und auch alles Leid darf mal ein Ende haben. Kehrt diese Leichtigkeit ein, an nichts mehr festhalten zu müssen, kann darin auch eine kummerfreie Demut erlebt werden, die wir wohl alle irgendwie anstreben, wenn wir von der sog. Gelassenheit reden.