Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Welche Sicherheit haben und brauchen wir?

∞  22 Juli 2013, 14:21

Begleitet man einen Menschen an die Schwelle zum Tod, so liegt immer auch die Hoffnung darin, ein Stück Sicherheit im Umgang mit der eigenen Endlichkeit finden zu können, eine Ahnung zu erhalten von der Wahrheit über das Leben UND den Tod.

Doch nicht mal darin, in dieser ganz speziell intensiven Erfahrung gibt es wohl die EINE Wahrheit, das immer gleiche Erleben dieses Prozesses. Wir bleiben in unseren Wahrnehmungen – und damit in unserem Zugang zu Wahrheiten subjektiv, was mich darüber nachdenken lässt, wie relativ unser Verlass auf die Sicherheiten unseres Lebens gehandhabt werden sollte – denn, was ist denn schon sicher, was nehmen wir in seiner Tragweite wie wahr und wie vielen Irrtümern sind wir dabei ausgesetzt?

Beim Abschied von meiner Mutter hat mich folgender Spruch von Laotse eng begleitet:

Was die Raupe Ende der Welt nennt,
nennt der Rest der Welt Schmetterling.


Meine Sicht reicht nur bis zu meinem Horizont. Die innere Sicht meiner Seele aber braucht wohl gar keinen, womöglich noch nicht mal ein Firmament. Womöglich lachen wir “drüben” einmal über unsere Nöte – und den Drang, uns einen sicheren Rahmen zu schaffen, der uns freier atmen, lachen und sorgloser leben lässt.

Aber wir dürfen – unsere gegenwärtige Zeit ist ein gutes Beispiel dafür – im Grunde gar nicht darüber nachdenken, wie es denn eigentlich um unsere Sicherheiten bestellt ist? Können Sie mir eine einzige nennen, die unantastbar wäre, wirklich sicher? Und so kommen wir gerade beim Versuch, dank Vernunft, Voraussicht und Vorsorge dank Realitätssinn Sicherheit zu schaffen, zum Ergebnis, dass wohl keine Sicherheit beständiger sein kann als die des Gläubigen: Er vertraut in jeder Lebenslage – wäre da nicht sein Zweifel, der zum Glauben mit dazu gehört oder ihn unvermittelt prüft.

Der Schlüssel dabei ist wohl, diesen Zweifel aushalten zu können, ihn begrüssen zu können wie einen Lehrmeister, genau so, wie wir die Unsicherheit in jeder Sicherheit hinnehmen müssen. Schlussendlich ist alles nur Rüstzeug für unseren Umgang mit unserem Geheimnis unseres Werdens und Vergehens, das uns Fragen in jeder Lebenslage stellen kann und ohne uns ausmacht, welcher Art die – wahrnehmbaren – Herausforderungen sein werden, die sich uns noch stellen.

Je überzeugender ein Mensch vorgelebt bekommt, wie wenig es braucht, um ein ausgeglichenes und ausgleichendes Leben zu führen, wie hinderlich dabei gar das Streben nach Sicherheit – oder das Ausschliessen der Zweifel – sein kann, um so reicher und aus-reich-ender wird sein Fähigkeit sein, seiner Gegenwart mit gütigem Blick zu begegnen.

Vielleicht ist dazu gerade das ein Schlüssel und keine verstörende Erkennntis: Unsere Wahrnehmung ist viel zu eng, und unser Lebensweg ist darauf ausgelegt, diese Fesseln nach und nach zu sprengen – oder uns darauf vorzubereiten.

Das Leben ist schön. Damit sollte das alles, was wir an Arbeit für die Erweiterung unserer Wahrnehmungen leisten, beginnen. Vielleicht ist es nur ein Anstrich, vielleicht aber ist es der Beginn eines genaueren Hinsehens, eines weiteren Blickfeldes: Das Leben enthält immer eine nächste Lehre, das Angebot eines nächsten, bewussteren Schrittes. Was, wenn wir DAS zu unserer Mut machenden Sicherheit machen könnten?