Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Weihnachten. Für Alle. Das ganze Jahr.

∞  24 Dezember 2012, 12:04


istockphoto.com/Studio-Annika: “Christ is born”




Ob Sie gläubig sind oder nicht: Ich wünschte uns allen, es wäre in unser aller Leben jeden Tag Weihnachten. Für einen prägenden Moment lang, der dann nachwirken kann, bis wir begriffen haben, was uns die Botschaft dieses Tages sagen will.
Also muss ich gleich nochmals beginnen:
Ich wünsche uns, dass wir begreifen, dass jeden Tag Weihnachten IST.

Denn Weihnachten enthält jenes Stück Christentum, das von der Art Liebe und Einheit mit sich selbst handelt, das in uns allen angelegt ist, das Gott in uns weiss, uns zeigen will – und jeder Mensch vielleicht auf unterschiedlichsten Wegen finden kann, mag er gläubig sein oder nicht.

Für den gläubigen Christen ist es das Fest der göttlichen Nächstenliebe – und daselbst fern aller Morallehrer irgend einer Kirche diese eine Botschaft: Du Mensch bist es wert, dass Gott dich liebt wie seinen eigenen Sohn. Wer auch immer du bist und was auch immer deine Geschichte ist: Es gibt eine Schöpfung, die deinen Frieden will und deine Einheit mit deiner Seele.
Es ist im Grunde dein ureigenster Sinn, frei von allem Ärger gegen dich selbst zu werden und alles fahren zu lassen, was dich immer wieder in diesen Unfrieden zwingt.
Dieser Gott weist dich nie ab, seine Tür ist immer offen, gleich einem Vater, der seine Liebe dem eigenen Kind bedingungslos schenkt, mag es ihm auch immer wieder Kummer machen.

Wenn Sie also nicht Christ sind noch an eine konkrete, zum Eingreifen fähige Macht glauben mögen, so bleibt es doch eine interessante Frage, woher die Sehnsucht des Menschen kommt, sich einer göttlichen sorgenden Macht anvertrauen zu können – und dadurch Kraft zum Dienst für andere und zur Selbstliebe zu gewinnen. Man mag argumentieren, alle daraus tatsächlich wachsende Energie wäre eine Form der Autosuggestion, und der Wunsch nach Altruismus ein Reflex der Evolution, mit dem wir unsere fehlenden natürlichen Instinkte kompensieren, so dass wir als Zivilisationsmenschen als Gemeinschaft überleben können.

Doch heute sind wir als Individuen angesprochen. Jeder Einzelne. Ganz direkt. Eigentlich doch genau die Botschaft für uns Individualisten. Niemand ist ausgenommen. Jeder direkt und bei sich selbst gefragt. Was uns nicht erspart wird: Wir müssen mit uns auskommen. Wir müssen glauben können, dass wir liebenswert sind. Ohne Vorbedingung.

Das gelingt manchen mit einem einfachen kindlichen Glauben, und es lässt sich ein gottgefälliges und sich selbst aushaltendes, ja wohlmeinendes Leben damit führen, in dem wir getreu unserer Erziehung gute Menschen sein können – mehr oder weniger, mit dem Eifer jener, die sich von Fehltritten nicht entmutigen lassen müssen, weil sie an Verzeihung und Gnade glauben dürfen. Es ist dies ein unter Umständen ruhiges und friedvolles Leben an der Oberfläche des möglichen tieferen Bewusstseins.

In der weihnächtlichen Botschaft steckt viel mehr. Sie handelt von einer Liebe, die keinerlei Handel braucht, keine Vereinbarung, keine Bedingung kennt – und auch keine Versicherungen anbieten muss. Eine Liebe, die nicht belohnt noch fordert, die einzig und allein davon spricht, was dort ist, in uns, wo wir uns von jeder Bedingung lösen können:

In einer Leere, die nicht bodenlos ist, weil es in ihrer Welt keinen Boden braucht, in unserem ungebrochenen innersten Wesen, dort, wo keine Voraussetzungen gegeben sein müssen, da wohnt unser göttlicher Kern, der nichts festhalten muss, aber alles in sich trägt, was unangreifbar ist und zu der Liebe fähig, die nichts fordert, alles gibt, nichts beweisen muss, nicht mal sich selbst. Wie könnte man von diesem innersten Gefühl, diesem unglaublichen Trost, dass wir in unserem Allerinnersten keine Getriebenen zu sein brauchen, besser erzählen als mit dieser Geschichte, die zu Weihnachten gehört?

Ich habe als Christ keinerlei Problem damit, die Weihnachtsgeschichte “nur” als Gleichnis zu nehmen, aber ich frage jeden, ob er daran glaubt, ein Glück finden zu können, das wirklich an keinerlei Voraussetzungen gebunden ist? Wer sich von Gott so geliebt sieht, wie es die Weihnachtsgeschichte verspricht, wer so eins mit sich und seinem innersten Kern werden kann, von dem werden allein durch die Haltung, die er dadurch einnimmt, so viele Dinge abfallen, an denen wir uns tagtäglich zu unserem schlussendlichen Unglück orientieren.

Wir brauchen, um dann zu wissen, was uns wirklich gut tut und was wir “brauchen”, keinen Verhaltenskodex egal welcher Lehre oder Religion. Wir erkennen es selbst, zumindest hinterher, und belügen uns höchstens selbst, weil dieser Verzicht auf alles Treibende im Grunde so verflixt schwierig ist. Freiheit, auch der Seele, ist so schwer zu ertragen…

Aber jedes Jahr ist wieder Weihnachten. Wir sollten den Tag wirklich ehren und feiern. Und die Botschaft zum Jahresleitsatz machen. Damit das Leben beginnen kann, die Reise zu unserem freien Kern.

Wir suchen alle das gleiche. Wir sind alle auf dem Weg, haben Begleiter. Aber wenn wir lieben, weil wir werben, Beweis der Zuneigung brauchen oder Voraussetzung für Wohlverhalten schaffen wollen, dann haben wir nichts begriffen. Dann begehren wir. Das ist ein intensives Erleben, aber nicht die Liebe, die zur Weihnachtsgeschichte geführt hat.