Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Wegsehen gilt nicht. Nicht länger.

∞  16 Januar 2011, 21:45

Von unserer Unfähigkeit, der versteckten, ja der offenen Gewalt couragiert zu begegnen.




Der sexuelle Missbrauch minderjähriger weisser Mädchen durch Banden muslimischer Männer in Nord-England galt bisher als Tabu.


So beginnt ein Artikel von Martin Alioth in der heutigen NZZ am Sonntag (Print, Seite 5). Ich weiss, dass ich hier in der Folge einen weiten Bogen spanne, dass es für den Umgang mit konservativen Muslimen in Teilen Englands eine politische oder gesellschaftliche Erklärung gibt, dass England nicht die Schweiz ist, nicht sein muss, aber dennoch ist auch diese Geschichte ein weiterer Grund, dass einem übel werden kann. Nicht wegen der Täter – sondern wegen unserem Verhalten. Es ist überall und immer das gleiche: Es wird dem Frieden willen geschwiegen, vertuscht, zugedeckt, ethnische oder religiöse Gründe hinter solchen Verbrechen negiert.
Besonders bitter daran ist, dass viele einheimische Kreise die Diskussion am liebsten nicht führen möchten, weil sie sich nicht mit dem Vorwurf des Rassismus konfrontiert sehen wollen. Dass ein rassistisches Menschenbild am Ursprung solcher Vorfälle steht, wird hingegen in Kauf genommen (für die im Artikel im Fokus stehenden pakistanischen Muslime sind die eigenen Mädchen unberührbar, während westliche Mädchen als minderwertig und sexuell zugänglicher gelten – worauf man sich gerne bedient und gleichzeitig dann mit dem Finger auf die Frauen zeigt. Nun, der letzte Teil ist wieder allzuoft männerspezifisch und hat mit dem Thema allgemein zu tun).
Entscheidend aber ist doch, dass das gesellschaftliche Bild dieser Gruppe Menschen nicht ins hiesige Wertesystem passt – und dass es umgekehrt absolut undenkbar wäre, pakistanische Behörden würden ein entsprechendes Verhalten einer nichtmuslimischen Ethnie nicht rigoros ahnden.

Nun wünsche ich niemandem bei uns, absolut niemandem, eine entsprechende Behandlung, aber ich erwarte von uns selbst, dass wir solche Missstände ohne jede Scheu absolut offen auf den Tisch legen und die Diskussion führen. Jede Art von Angst, sei es vor dem Vorwurf des Rassismus, sei es vor der Themenfütterung rechtsextremer Kreise, ist falsch. WENN eine offene Thematisierung solche Auswirkungen hat, dann ist es höchste Zeit, dass wir sie zur Kenntnis nehmen und eben genau so offen Gegensteuer geben. Aber jede Frau hat bei uns das Recht, dass sie nach dem säkularen Recht unseres Staates geschützt bzw. dass ein Übergriff entsprechend sanktioniert wird. Und jedes Mädchen hat das Recht sowieso. Ich schäme mich in Grund und Boden für uns, wenn ich immer wieder Geschichten höre von Gewaltverbrechen, in denen nicht mit absoluter Konsequenz gegen die Missachtung der körperlichen und seelischen Integrität junger Menschen vorgegangen wird:
Es scheint mir, dass wir nach und nach die Zeche bezahlen für die Feigheit, mit der wir uns vor unpopulären Massnahmen drücken. Die Folge wird nicht die Vernunft sein, sondern die Orientierungslosigkeit und unverholene Verachtung jener, die dem Staat und damit uns auf der Nase herumtanzen können. Umgekehrt aber würde jeder eingegliederte junge Mensch mit andersartigem ethnischem Hintergrund unser aller Gemeinschaftsleben doch so sehr bereichern! Jeder soll die Chance haben, auf Fehlern zu lernen. Jedem aber muss auch garantiert sein, dass seine Fehler Konsequenzen haben.

Und noch etwas aus einer heutigen Diskussion als Ergänzung:
Es ist immer wieder zu hören, dass es vor allem links stehende Behördenmitglieder seien, welche einen laschen Umgang der Sozial- und Strafbehörden mit ausländischen Mitbürgern pflegen würden. Konservative Politiker machen das Ausländerthema immer wieder zum Wahlkampfschwerpunkt. In der Besetzung der Exekutivämter aber fühlt man sich dann eher den Wirtschaftsressorts verpflichtet: Es ist eben sehr viel einfacher, einen Behördenapparat von aussen zu kritisieren, als ihn von innen zu reformieren. Ich warte also auch hier auf die Übernahme von mehr Verantwortung, und auf den ersten gewählten SVP-Politiker, der dann explizit wünscht, das Sozialamt zu übernehmen…