Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Weg mit der schlechten Laune

∞  6 August 2010, 16:57

Sie begegnen einem Menschen, und sein Gesicht hellt sich auf.
Er freut sich ganz offensichtlich, Sie zu sehen.
Das ist ein wunderbares Gefühl, nicht wahr?
Es ist, non verbal und doch so beredt ein wunderbares, sehr ehrliches Zeichen, dass sich jemand freut, dass Sie genau jetzt genau hier sind.
Sie stören nicht. Sie sind willkommen. Der andere hat Aufmerskamkeit für Sie.

Vielleicht hilft diese Reaktion Ihnen, überhaupt selbst im Moment, an diesem Ort, bei diesem Menschen anzukommen. Das Gegenüber ist Botschafter zur eigenen Seele – und ein kleines Wunder: Da traut mir jemand Gutes zu.

Vielleicht ist seine Freundlichkeit auch gar nicht so sehr mir gewidmet. Vielleicht ist es einer jener Menschen, der sich ganz generell noch über Begegnungen freuen kann. Mit einer erhaltenen Neugier, die Unvorhergesehenes sucht, nicht meidet.

Es gibt Menschen, von denen jedermann gleich weiss, wie sie gelaunt sind, kaum läuft man ihnen über den Weg. Das ist ehrlich, aber es kann auch irritieren, wenn die Laune in jedem Fall stärker ist als Sie. Sie kennen sich schon, mögen sich, und doch hellt sich das Gesicht des anderen nicht auf?

Schlechte Stimmung. Sie überträgt sich gern. Sie kann ähnlich ansteckend sein wie die gute Schwester, genannt gute Laune. Wir füllen ständig die Atmosphäre mit unserer Stimmung. Mit nichts beschäftigt sich der Buddhismus, so scheint mir, so sehr, wie mit Stimmungen. Mit Emotionen, in denen wir gefangen sind und uns drehen. Die Laune ist genau das, was das Wort sagt:
Eine getriebene Wolke, in der viele Menschen gefangen sind. Manche immer wieder, einige selten, wenige Unglückliche fast immer.

Die Laune kommt dabei immer aus der Vergangenheit. Sie schleppt eine Geschichte mit sich, die man jetzt, in der neuen Begegnung, doch ablegen könnte. Sie hat nichts mit der neuen Gegenwart zu tun.
Bald ist sie so tot, wie eine Schlangenhaut. Und welche gesunde Schlange wollte sich nicht häuten?

Wir sind nicht die Gefangenen unserer Stimmung. Wir lassen das nur zu. Wir können das hinterfragen und die Achtsamkeit üben:

Bewusst spazierengehen zum Beispiel:

Gehen Sie einen Weg, den Sie sehr gut kennen. Sie sind ihn vielleicht schon hunderte Male gegangen. Bei gutem Wetter wie bei schlechtem. Gedankenverloren, zu spät dran, in Langeweile. Nie waren die Bedingungen zwei Mal genau gleich.
Gehen Sie den Weg erneut, und sorgen Sie aktiv dafür, dass es auch diesmal so ist, die Bedingungen also neu sind:

Der Weg kann eine Sensation sein. Nehmen Sie eine imaginäre Kamera mit, einen kleinen Bilderrahmen, einen leeren Diarahmen, z.B., oder stellen Sie sich diesen einfach vor, und spazieren Sie los. Suchen Sie auf dem Weg bewusst lauter schöne oder interessante Dinge. Setzen Sie in den Rahmen Dinge, die Sie noch nie wirklich gesehen haben.
Knüpfen Sie eine Perlenkette an Beobachtungen, die Sie allein Ihrer Achtsamkeit zu verdanken haben. Genau so können Ihre Tage sein. Ihre Stimmung wird sich heben. Wenn Sie erkennen, was diese Stimmung verursacht, sind Sie dabei, Ihre Launen zu verlieren. Es wird zur Laune, mit Gleichmut auf alles zu reagieren, was sogleich vergangen sein wird. Und wenn es wiederkommt, dann ist es eigentlich doch bekannt – und nicht der Rede wert, eine so ärgerliche Bedeutung zu bekommen.

Alles, was geschieht, kann uns ein Lehrer sein, auf dem Weg, unabhängiger zu werden von Vergänglichem. Gleichzeitig wird Vergängliches gegenwärtiger und in dem Moment, in dem es “hier ist”, öfters mal zum Fest.

Auf Ihrem nächsten Spaziergang ist manche Entdeckung vielleicht nicht mehr aufzufinden. Dafür gibt es hundert neue. Das ist es. Das Leben.