Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Was es darf, das Leben, und was das soll

∞  3 Januar 2010, 18:58

Heute ein Prominenten-Interview gelesen, das wie folgt betitelt war:

Das Leben darf alles, ausser mich langweilen


Es spielt keine Rolle, wer das sagt, ich will auch niemanden auf eine einzeln heraus gepickte Aussage behaften, aber ich finde, es lohnt sich, über diesen knalligen Satz, der offensichtlich auch der Redaktion gefallen hat, ein wenig nachzudenken.
Eigentlich ist es uns allen wohl klar, nicht wahr, dass nicht wir dem Leben irgend etwas vorschreiben und dessen Regeln aufstellen, sondern dass das Leben uns aufträgt, was wir dürfen, und was uns verwehrt bleibt.

Wohl noch nie hat sich bei Menschen dagegen allerdings so viel Widerstand geregt. Es gilt geradezu als chic, dem Lebensgefühl nachzuhängen, dass es keine Grenzen gibt und alles erreicht werden kann. Auf jeden Fall pflegen die Medien entsprechende Geschichten und machen Helden, welche mindestens die Schwerkraft jedes Anflugs von Demut überwinden und alles ihrer harten Arbeit verdanken können, und nichts anderem. Und damit das auch gelingen kann, hat das Leben eben alle Chancen zu enthalten, und in der Konsequenz ist es eben spannend, dieses Leben, weil es aufregend ist, seine Grenzen zu erweitern, und mögen diese Limiten in der Dehnbarkeit des Gummiseils beim Bungee-Jumping liegen.

Das Leben stellt Aufgaben, sprich Karrierechancen, Leistungsanforderungen, welche, gesellschaftlich sanktioniert, mir anzeigen, auf welchem gesellschaftlich-sozialen Zufriedenheitslevel ich mich ganz augenscheinlich befinde, wenn ich die Erwartungen denn erfülle.
Wir suchen das Aufregende, das Aussergewöhnliche – und übersehen dabei, dass das eigentlich Verrückte darin liegt, WO wir WAS suchen. Womit wir bei der Langeweile wären:

Das Leben an sich kann vieles, aber langweilig sein kann es nicht. Es kann voller Gefahren sein, es kann Sicherheit schenken, Wohlstand gar, oder aber keinen anderen Gedanken zulassen als die Frage, wo der Mensch die nächste Schüssel Reis her kriegt. Was davon für mich gilt, das kann ich in letzter Konsequenz nicht wirklich entscheiden, und wenn ich mich statt mit der nächsten Schüssel Reis mit der nächsten Reisschüssel auf vier Rädern, wie wir lange die japanischen Autos genannt haben, beschäftigen kann, dann gehört dazu immer auch eine Portion Glück, die so unverschämt ist, dass ich sie mir gar nicht verdienen kann. Wie aber wäre es, wenn ich mich für dieses Glück ein bisschen dankbar zeigen würde, indem ich die Langeweile, die mir aus der Sorglosigkeit erwächst, nicht mit dem nächsten Pseudo-Leistungshype vertreiben würde, sondern mit einem ruhigen Blick auf das, was mir bleibt, wenn mein Geld verdient ist oder mein Tag von den längeren Schatten des Abends eingeholt wird. Bleibt mir da nur die Langeweile, so sollte ich schleunigst mit aller künstlichen Aufregung aufhören und mich genau dieser Langeweile stellen. Denn am Schluss ist meine innerste Substanz davon abhängig, was in mir erwacht, wenn ich die Hände in den Schoss lege und den Gedanken ihre Freiheit schenke.

Versuchen wir es doch nochmals mit einer Schlagzeile:

Das Leben wartet gerade in der langen Weile darauf, entdeckt zu werden.