Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Was die Grossen so gross sein lässt: Respekt

∞  22 Dezember 2010, 19:14

Das waren noch Zeiten, als die Flegel das Männertennis dominierten, nicht wahr? Die Wut- und Schreikrampfausbrüche von John McEnroe gelten ja schon als legendär. Aber auch sein Antipode Jimmy Connors konnte zur Tarantel werden:

Brad Gilbert beschreibt in seinem Buch “Winning Ugly” ein Endspiel, in dem er Connors endlich am Wickel hatte. Genau genommen und rechtens war das Spiel vorbei. Der Matchball gespielt, Gilbert steht am Netz und will von Connors das Shakehands empfangen, die Gratulation zu Gilberts Sieg. Und was macht Connors? Er denkt gar nicht daran. Beginnt zu toben, zu wüten, Linienrichter und Ballbuben zu beschimpfen. Der Ball, der nicht mal knapp an der Linie war, den sah nur Connors anders. Das Publikum johlte und buhte, aber ihm gefiel auch das Spektakel. Und nach einer Ewigkeit hatte Connors auch den Schiedrichter so weit: Der liess den Punkt nochmals ausspielen. Brad Gilbert war so verdattert und fassungslos, dass er keine Chance mehr hatte und das Spiel, das doch schon gewonnnen war, noch verlor…

Heute wären solche Geschichten undenkbar. Wir haben vielmehr eine Zeit hinter uns, in der man Federer und seine Konkurrenten als Langweiler bezeichnete und maliziös die vermuteten Werbeeinnahmen zu anderen Sportgrössen aufrechnete und meinte, es gäbe keine Stars, die Herren Tennisspieler liessen den (amerikanischen) Zuschauer kalt, sie hätten “kein Gesicht”. Das ist vorbei. Kalter Kaffee. Geschmolzener Schnee.

Die Gegenwart kennt zwei Rivalen, die alles überstrahlen. Es gab eine Zeit, da hat Federer den Jüngeren bei gemeinsamen Autogrammstunden dazu anhalten müssen, nicht zu früh zu verschwinden. Auch dies ist längst vorbei. Nadal hat sehr gut begriffen, worum es geht und welche Aufgabe ihm als Stern am Tennishimmel zugedacht ist.
Der Spanier und derSchweizer haben 21 der letzten 23 Grandslam-Turniere gewonnen – eine unglaubliche Serie. Und die beiden sind auch so gut, weil sie den Wert des Kontrahenten für das eigene Spiel erkennen: Sie machen sich gegenseitig laufend besser, setzen immer wieder neue Massstäbe. Was die Spieler verbindet, ist:

Respekt.

Ein Zauberwort. Und eine Quelle ständig neuer guter Energie für einen Sport, der die absolute Leistungsbereitschaft fordert und in dem die Partien oft, sehr oft, im Kopf entschieden werden. Damit verkörpert Tennis wie kaum eine andere Sportart den heutigen Zeigeist: Der enorme Aufwand, die absolute Fokussierung, die Technik – alles in Sekundenbruchteilen hunderte Male in einem Match gleichzeitig abzurufen, ist eine Kunst, die für den Tennisfan als Zuschauer sichtbar wird. Fairness und Akzeptanz werden in diesem Sport dank dem Leitbild seiner Grössten gepflegt – gefördert auch durch den fehlenden Körperkontakt und die an sich klaren Regeln. Während im Fussball manchmal alles erlaubt scheint, so lange der Schiedsrichter nicht pfeifft und neben dem Platz häufig psychische Kriegsführung durch Trainer, Spieler und Manager betrieben wird, hat im Tennis Fair Play – Verhalten Hochkonjunktur.

Was dazu führt, dass man sich heute auch wieder an Stefan Edberg erinnert. Er war lange Zeit jener Spieler, den man als Typ noch langweiliger fand als Federer. Heute sprechen alle vom absolut vorbildlichen Verhalten, mit dem Edberg auf und neben dem Platz das vorlebte, was für ihn selbstverständlich war: Respekt.

Das Wort hat auch der neue Formel-1-Weltmeister aufgeführt, als er gefragt wurde, was er von Federer habe lernen können. Genau darum geht es, sagte er. Ganz einfach. Aber es ist grossartig. Es gibt wieder Vorbilder im Sport. Sie können für uns alle eine Inspiration sein, auch wenn wir in keiner einzigen Tätigkeit die Allerbesten sind. Wer kann das schon behaupten. Aber immer wieder steht ein anderer vor oder hinter uns. Die hier angesprochene Fähigkeit benötigen wir alle, um richtig einordnen zu können, was uns im Umgang mit anderen widerfährt.