Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Wann es so weit ist?

∞  27 Juni 2013, 21:51

Ich besuche meine Mutter im Spital. Wir reden übers Sterben, oder besser übers Sterbenwollen. Wir tun es leicht und frei und nicht zum ersten Mal.

Und doch ist Mutters Stimmung in diesem Moment besonders leicht und gelöst. Wir sind uns bewusst, dass dies für fremde Ohren komisch bis befremdend wirken kann, auch für die Zimmernachbarin. Aber vielleicht dringt ja auch durch, wie befreiend es für alte Menschen sein kann, wenn sie in ihrem Wunsch, gehen zu können, verstanden werden. Wir Zurückbleibenden sind – eben – die Hinterbliebenen, die mit dem Verlust leben müssen und dies nicht wollen. Wir entscheiden reflexartig für die Kranken, wie schlimm ihr Zustand ist, und was noch getan werden kann und, ja, tatsächlich, getan werden “soll”.

Dabei bin ich sicher, dass es keine aktivere und bessere “Therapie” für die Angehörigen geben kann, als die liebevolle Gunst, dem Kranken den Abschied zu “erlauben”: Wenn sie wissen, dass sie in ihrem Wunsch verstanden werden, schenken wir dem vor uns liegenden Menschen ein Stück Frieden. Es ist wirklich ein Liebesdienst.

Mutter soll und wird los lassen dürfen, wann es für sie Zeit dafür ist, und sie wird kein Bild vor sich haben, dass sie sich nicht verabschieden konnte, und, noch quälender, ihre Kinder dies nicht konnten. Wir werden keinen Grund haben, Ungesagtes zu beklagen. Auch, weil sie sich nicht zu schade war, sich immer wieder zu erklären. Vielleicht haben wir zu Beginn nicht so genau zugehört, da ja “das alles” noch lange Zeit hat – aber wir haben es gelernt und uns gestellt.

Diese Erfahrung wird auch mir gut tun. Vor diesem Bett und in diesem Bett.