Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Wählen

∞  17 April 2007, 15:26

Jemanden wählen zu lassen, ihm die Auswahl lassen – das ist nicht nur ein demokratisches Prinzip. Es begegnet uns auch immer wieder im Alltag.
Der Verkäufer vor seinen Auslagen muss mich wählen lassen und hofft, dass ich es überhaupt tue. Jemandem eine Wahl zubilligen, heisst auch, ihm die Entscheidungsfindung zutrauen – was sich dann beweisen muss, wenn die einmal getroffene Wahl akzeptiert werden sollte…

Unsere Kinder stehen immer wieder in diesem Spannungsfeld, und ich hoffe mal, die meisten Eltern werden dem wenigstens so gerecht wie Politiker, die ein Wahlresultat akzeptieren und interpretieren müssen. Wer wählen kann, beginnt, Verantwortung zu übernehmen. Er mag klagen, dass die Wahl zwischen verschiedenen Übeln keine wirkliche ist – und doch fordert sie eine Entscheidung.

Jeden Tag treffen wir sie. Immer wieder gibt es mindestens A oder B. Manchmal frage ich mich, wie sehr die Vorwärtsbewegung an einer Weggabelung zu einer Kreisbewegung wird, wenn ich mich stets nach rechts entscheide…

Aber vielleicht ist beim Lernen der Kunst des Entscheidens ja nicht ein Weg das Ziel, sondern die Vervollkommnung einer Technik, eines Prozesses, das Finden eines möglichst klaren Blicks, der erst einmal nach innen geht und sich fragt: Was ist mir wirklich wichtig und warum?

Eine Wahl zu haben ist ein Glück, auch wenn sie zur Bürde wird. Plötzlich keine Wahl mehr zu haben, ist bitter. Aber es kann auch dazu führen, dass alle Kräfte erst auf einen Punkt gebündelt werden können.

Sich als Macher einer Wahl zu stellen ist Demokratenpflicht. Erste Wahl zu bleiben ein Eheglück.
Mit uns freien Bürgern ist es ein wackliges Zappeln auf manchmal dünnem Seil, ob wir uns nun einer Wahl stellen oder wählen sollen, wo und wie auch immer.

Was wir auch wählen – die Wegweiser oder Marschrichtungen sind in jedem Fall immer auch Einladungen zur Standortbestimmung.

Und der gewählte Genuss – ist er nicht beliebig, sondern ein Luxus, eine Delikatesse, mit der ich mir bei jedem Bissen auch ein bisschen geforderten Verzicht für die Folgetage in den Mund schiebe, dann ist er ein wirkliches bewusstes Fest.
Das waren noch Zeiten, als der Mohrenkopf, der einzelne, für viele unserer Eltern so ein Fest war, die kleine noch eine grosse Freude war, eine bewusste Wahl eben. Eine liebliche Gönnerei.

Vorschlag: Zum nächsten Espresso ein kleines Stück Schokolade essen, und es sich auf der Zunge zergehen lassen. Meine Frau macht mir das vor, jeden Tag. Sie dürfen es auch abbeissen – Hauptsache, es ist ein Genuss, eine bewusste Wahl.

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