Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Voruntersuchungen, weil die doch so vernünftig sind

∞  29 November 2013, 21:28

Ich schicke voraus: Mir fehlt heute die Zeit und die Ruhe für einen abgerundeten Bericht und eine entsprechende Betrachtung, und ich bin auch viel zu glücklich über das schlussendliche Ergebnis, als dass ich mich nun zu lange dem Unmut hergeben will. Aber vielleicht ist genau das das Problem, dass wir in unserem Wunsch nach einem möglichst langen Leben die Mechanismen, die wir dabei entwickelt haben und die auch dem Geschäftssinn der Gesundheitsindustrie entspringen, gar nicht hinterfragen mögen.

Wir Männer bekommen ja allmählich mit der Prostata-Voruntersuchung ein kleines Pendant zu dem geliefert, was man den Frauen schon lange einschärft:
Lasst Euch regelmässig die Brust checken! Die Mammographie verbessert dank Früherkennung die Überlebenschancen bei Brustkrebs enorm. Lasst uns gemeinsam gegen den Krebs kämpfen! Das gibt ein gutes Gefühl, besänftigt zudem die eigene Unruhe (nachdem sie eben angefacht wurde) – und ist, natürlich, auch ein riesiges aber zweifelhaftes Geschäft. Denn so zahlreich die Beispiele tatsächlicher Früherkennung von Krebs sind, so ungezählt scheinen die Fälle zu sein, in denen ein vorläufiges Ergebnis der Brustuntersuchung falschen Alarm ausgelöst hat – mit unzähligen weiteren Untersuchungen und Eingriffen, die schlussendlich nicht zu Linderungen bei Zysten und dergleichen beigetragen haben. Ganz im Gegenteil.

Die Maschinerien, die wir mit so vielen Vorbeugemassnahmen und Früherkennungsprogrammen losgetreten haben, sind gigantisch. Ich habe in meinem engeren Kreis gerade so eine psychische Belastung erlebt, und ich bin einigermassen wütend, wenn auch erleichtert: Genau diese verfluchte Ambivalenz, die einen am Ende das alles vergessen lässt, weil es ja gut gegangen ist, der Krebs nicht wirklich zurück ist. Aber was man den Patienten da teilweise aufbürdet, ist unglaublich, und in dieser ganzen Abwicklung wird er zur Nummer, was mit das Schlimmste ist.

Es beginnt mit der eigentlichen Mammographie, die von einer Fachperson durchgeführt wird, welche die Patientin zuvor noch nie gesehen hat, geht weiter mit einer Assistentin, die sich durch die gleiche Nähe zur Person auszeichnet, wobei die Sache nicht besser wird, als sie aus dem Umschlag auch noch Unterlagen zieht, die mit der Patientin nichts zu tun haben. Das merkt die Patientin selbst, weil sie einen fremden Namen auf den Aufnahmen sieht… Als die richtigen Unterlagen beigebracht sind, wird sie mit dem Bescheid entlassen, dass wohl alles in Ordnung sei.

Eine halbe Woche später wird sie verzweifelt von ihrer Ärztin gesucht, es müsse ein weiterer Termin vereinbart werden, kurzfristig, und dann folgt eine Gewebeentnahme und neues banges Warten – bis es endlich heisst: Gutartig. Und die Konklusion? Dass es sinnvoll sei, die Intervalle der Kontrolluntersuchungen zu verkürzen.