Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Vorsicht, wenn Sie den Esel in den Hintern treten

∞  13 Dezember 2013, 22:15

Wir sitzen auf der Couch, vollständig erledigt. Wir haben eben festgestellt, dass die zweite Kerze unseres Adventskranzes noch unangezündet war. Wir sitzen tatsächlich seit Beginn der Adventszeit exakt zum zweiten Mal in unserem weihnachtlich geschmückten Wohnzimmer: Die Zeit, die wir sonst ganz bewusst als Wohlfühl- und SlowDown-Zeit zelebrieren – sie zieht dieses Jahr gänzlich an uns vorbei.

Und doch: Obwohl wir wirklich am Anschlag sind, fühle ich mich nicht schlecht. Eigentlich im Gegenteil. Ich kann die Ereignisse dieses Jahres bisher sehr gut annehmen. Ich werde noch lange darüber nachdenken, wie weit denn ein Leben sich im Alter doch so erfüllt, wie es zeitlebens bewusst gestaltet wurde. Es heisst, der Mensch plane, und Gott lenke. Oder: Und zweitens komme es anders, als man denke.

Alles richtig, und doch erlebte ich dieses Jahr in gebündelter Weise, dass das Leben ein bisschen wie der Esel ist, den man in den Hintern tritt. Irgendwann keilt dieser zurück. Oder positiv ausgedrückt: Wie man sich mit Leben und Sterben beschäftigt, bleibt nicht folgenlos. Ich würde dies nie zur Gesetzmässigkeit erklären oder für jedermann und Herrn Irgendwer Prognosen für deren Schicksal wagen, aber blickt man an des Lebens Ende auf die letzten Botschaften, die ein Dasein prägen, so ist es doch oft erstaunlich, wie viel diese mit der Art zu tun haben, mit der man den dritten Lebensabschnitt angegangen ist, ja, wie man im Saft gelebt hat. Und wir empfinden es als Fügung, als Gnade des Schicksals, dass die totale Verweigerung jeder voraussehenden Altersplanung meine Schwiegereltern nicht schwerer getroffen hat:

Die Katastrophe des rapiden Abbaus der möglichen Selbstbestimmung ist durch die wundersam schnell verfügbare Unterbringung in einer geeigneten Einrichtung aufgefangen worden, und unsere Hilflosigkeit, nicht auf die Eltern einwirken zu können, kennt nun wenigstens nicht mehr die Sorge, sie nicht genügend betreuen zu können. Dass die Welt für sie nun brutal schnell sehr klein geworden ist – und sie gleichwohl noch oft überfordert – das ist für uns Begleiter wohl noch sehr oft sehr traurig und belastend – aber wir alle sind mit diesen Überforderungen nicht mehr allein, sondern in einem Netz aufgehoben.