Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Vor dem nächsten Text, immer wieder

∞  2 September 2009, 19:49

Den ganzen Tag über war mir schon klar: Heute ist so ein Tag, da muss “was Eigenes” her fürs Blog. Ein Artikel. Der ein Text ist. Mit aktuellem Bezug. Also keine Nacherzählung einer Reise oder sonst einer vermeintlich alten Kamelle.
Also, warum nicht mal darüber schreiben, welcher Art die Gedanken und die Umtriebe sind, die einem solchen Text voraus gehen?

Wer dem Schreiben nicht so viel abgewinnen kann wie ich, der mag sich wundern, wie (früher) alle Tage oder (heute) fast alle Tage ein neuer Text entstehen möge. Mein Wundern gilt mehr dem Umstand, warum es nicht mehr sind? Denn dieses Schreiben, dieses sitzen vor der leeren Zeile – es ist die Spannung, die ich immer wieder suche – und die dann abzubauen der Kampf ist, aus dem die Kreativität erwächst.

Kreativ Schaffende sind immer auch ein wenig Getriebene, denke ich, denn keinem von ihnen fallen die Gedanken nur so zu. Gerade sie sind wohl mehr als andere Mensch, und damit in Stimmungen und Verfassungen gefangen, die zwischen Ausgleich und Widerstreit im eigenen Inneren mehr pendeln als andere Egos. Und genau aus diesem inneren Kampf werden Texte geboren, die Kraft haben; dann, wenn man die Wirbel und Strudel, den Aufruhr in sich zum energetischen Fliessen bringt, oder zumindest ausdrücken kann, was diese Unruhe verursacht. Damit entsteht eine Distanz, die mit dem Schreiben geschenkt wird: Ich bin mein erster Leser, und nicht selten verstehe ich erst nicht, dass das, was ich in die Tasten trommle, wirklich bewusster Teil meiner Selbst ist. Also begegne ich mir in dieser Art Schreiben, wie es Blogs fördern, immer erst selbst, meinem Stimmungsmoment und, wenn ich Glück und Geduld habe, dem Gedankenstrich zwischen den Argumenten. Ich übersehe mich durch mein Schreiben weniger. Ich sehe mich ernsthafter an, ohne verbissener zu werden. Ich kehre in meinem Blog immer wieder zu mir zurück, nehme einen Gedanken wieder auf und spinne ihn weiter.

Ich wünschte, ich hätte viel mehr Zeit dafür. Sagt einer, der Zeit besitzt, sie sich geschaffen hat und wohl auch ahnt, dass, würde er noch mehr Energie darauf verwenden, ganz neue Qualen auf ihn zukämen. Bevor der Text, immer der nächste Text, geschrieben wäre, der dann grösser zu sein hätte, und mächtiger, würden die inneren Erwartungen schon ganz andere sein und niemals kleiner werden.
Wieviel Unruhe und Rastlosigkeit erträgt Kreativität? Braucht der wirklich gute Text nicht vielmehr auch die Gelassenheit des Verfassers, der sich nicht zuviele Gedanken darum macht, welchen Gehalt das haben mag, was er gerade frei zu legen vermag?

Und was, bitte, macht einen guten Text aus? Was ist darunter zu verstehen? Spätestens hier, lieber Leser, sind wieder Sie gefragt. Denn diese Frage beantworten Sie allein. Und damit befragen Sie sich selbst auch darüber, wie Sie die Welt und sich selber sehen – und was Sie sich überhaupt davon ansehen wollen. In den Büchern haben Sie die Auswahl. Im Leben führt keine Zufriedenheit daran vorbei, sich selbst anschauen zu können.


Bild zum Thema: Man kann die Suche nach der Eingebung auch sehr entspannt angehen; Cartoon von Patrick Chapatte/Globe Cartoon via nice-bastard