Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Von wegen Informationsgesellschaft: Bedeutendes bleibt uns fremd

∞  28 Dezember 2011, 17:00

Wir informieren uns über die ganze Welt in unseren Medien. Wirklich? Erst, wenn wir auf einem anderen Kontinent eine Zeitung aufschlagen und uns etwas ausführlicher informieren wollen, werden wir uns wundern, wie selektiv ganz offensichtlich die Auswahl ist, welche die Medien treffen – und wie wenig wir in der Ferne im Grunde über “unsere” Welt lesen können: So gibt es eben auch Grossregionen, welche es nur mit grösster Mühe in unsere Medien schaffen, und selbst die Tatsache, dass sie als so genannte Schwellenländer an Bedeutung massiv gewinnen, setzt sich nur ganz langsam in den Redaktionsstuben durch. Bei China gilt das gewiss nicht mehr, Brasilien wird von der Fussball-WM und den Olympischen Spielen profitieren.
Und Indien?

Indien wird uns wohl noch lange ein Rätsel bleiben. Als einer, der das Land schon vier Mal bereist hat, will ich spontan protestieren, und das sehr schade finden. Aber ich bin mir gar nicht so sicher. Indien zu verstehen, ist sehr schwierig, und wenn ich mir etwas für Indien wünschen würde, so, dass es dem Land leichter fallen könnte, Respekt zu erlangen – und damit auch Kredit in wirtschaftlichen Beziehungen.

Vieles an Indien ist bewundernswert, Vieles beklagenswert.
Indien ist die grösste (und eine schon recht alte) Demokratie der Welt – mit durchaus jeweils fairen und funktionierenden Wahlen – und politisch sicher berechenbarer als China. Indien kennt ein Kastensystem, von dem wir nicht viel mehr wissen, als dass es schlecht ist. Dass umgekehrt ein Unberührbarer Regierungschef sein kann, verwirrt uns dann wohl ebenso, wie wenn es ein Sikh wird, also ein Repräsentant einer religiösen Minderheit. Indien ist aber auch das Land, das wie kein anderes aus einer gewaltlosen Protestbewegung heraus entstand – und das heute unter einer gewaltigen Korruption leidet – neben der fehlenden Infrastruktur Indiens grösstes Problem. Etwa ein Drittel seines Gehalts muss der Inder für Korruptionsgelder ausgeben… das muss man sich mal vorstellen.

Nun gibt es in Indien einen alten, weisshaarigen Mann in weisser Baumwollkleidung, der seit zwanzig Jahren gegen diese Korruption kämpft. Je aussichtsloser der Kampf schien, um so hartnäckiger kämpfte Anna Hazare (der eigentlich mit Vornamen Kisan Baburao heisst), für ein griffiges Korruptionsgesetz. Nun hat er den öffentlichen Hungerstreik zum politischen Kampfmittel erkoren und ist damit zum Stachel im fetten Fleisch des Establishments geworden – denn dank Facebook und anderen Internet-Medien hat sich die Gefolgschaft zu einer Massenanhängerschaft entwickelt, und es könnte gut sein, dass daraus eine Bewegung mit entscheidender Dynamik wird.

Auf mycomfor werden seit Monaten immer wieder Artikel über Anna Hazare aufgeführt. Sie können hier nachgelesen werden. Für eine Übersicht über die aktuellsten Artikel bietet sich eine spezifische Twitter-Suche an.

Ein Artkel zu Anna Hazare, der ein bisschen Hintergrund vermittelt, ist auf faz.net erschienen.

Das ganze Thema scheint mir eine “affaire à suivre” zu sein.