Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Vom Wert des einfachen Ausdrucks - und dem Mut dazu

∞  1 Oktober 2009, 17:26

In letzter Zeit häufen sie sich wieder: Die kleinen leisen Zeichen schüchterner Menschen, die sich bei mir melden, nicht ohne sogleich zu betonen, dass sie sich leider nicht so gut ausdrücken könnten… wie ich, meinen sie natürlich.
Was als Lob gemeint ist und vorauseilend als Entschuldigung für die vermeintliche eigene Unzulänglichkeit, macht mich oft ein bisschen traurig. Und ich möchte hier erklären, warum:
Menschen, die gut formulieren können, gelten als “sehr kommunikativ”. Damit kann man Zuhörer oder Leser aber auch überfahren. Jene, die es positiv sehen, hören mir gerne zu. Oder sie lesen mich gerne. Aber sie reden eher weniger als mehr mit mir. Die Menschen, auch Freunde, wollen oder können sich nicht dem “Vergleich” aussetzen, und meinen, sie würden gegen meine Formulierungen nicht bestehen können. Darum lesen sie hier still mit.

Es ist, wenn man sich dies ein bisschen aus meiner Warte zu Gemüte führt, nicht schwierig, zu erkennen, dass das auch einsam macht.

Doch wir können die virtuelle Blogwelt gern verlassen, und die Wirkung der Wortaktrobatik an einem “realen” Beispiel betrachten:
Ich orte ein Problem in einer Beziehung mit einem Freund, meiner Frau, oder in einer Gesprächsrunde. Wenn ich dieses Problem auf den Punkt bringe, dann ist das im Moment wie eine Erlösung für die anderen. Aber es fehlt danach irgendwie auch die Luft zum Atmen – und es fällt sehr leicht, dann alles in bester Ordnung zu glauben, weil es so gut “klingt”. Rhetorik, Wortgewandtheit, geschliffener Ausdruck – das alles hat mit Wahrhaftigkeit, mit Tiefe, mit dem wirklich richtigen Wort zur richtigen Zeit nichts, überhaupt nichts zu tun. Und mich selbst verleitet es dazu, Dinge schön zu reden.
Wenn Sie selbst also weniger Schnörkel brauchen, um etwas auszudrücken, oder sie vielleicht den Punkt gar nicht treffen, wie sie glauben, so reden sie trotzdem mit den Menschen um Sie herum: Denn sie haben vielleicht etwas ganz Entscheidendes beizutragen: Eine Bescheidenheit in ihren Worten, die es vielleicht viel leichter macht, ehrlich zu bleiben und den Dingen keinen Firlefanz umzuhängen. Und wenn Sie dann mit Menschen wie mir reden oder schreiben, so kann ich Ihnen noch etwas garantieren: Typen wie ich registrieren sehr genau, welche Klasse darin liegt, dass da jemand spricht oder schreibt, ohne sich selbst dabei zu belauschen und andächtig die Ohren spitzen, um den Nachklang der eigenen Stimme im Ohr zu behalten oder per Stift noch einen Nachsatz einzufügen – und noch einen. Mit Gespräch, mit Auseinandersetzung mit sich selbst hat letzteres wirklich nichts zu tun. Das ist eine Ego-Beweihräucherung, mehr nicht.
Verbiegen Sie sich nicht, aber glauben sie daran, dass das, was Sie fühlen, einen Wert hat und jene Menschen interessiert, die es auch verdienen, von Ihnen Empathie zu empfangen. Und vergleichen Sie Ihre Talente nicht mit anderen. Das mache ich schon selbst zur Genüge – natürlich immer mit schlechtem Fazit für mich selbst.
Wir neigen alle dazu, undankbar für unsere Gaben zu sein und damit genau das auszulösen: Dass wir nämlich zuwenig daraus machen. Übrigens reden wir alle auch zwischen den Zeilen. Auch in Mails, Blogs, Briefen und SMS. Wer uns also verstehen will, wird nach uns suchen und uns finden. Und er wird vor allem auch nachfragen, wenn er sich nicht sicher ist. Der ganze Rest da draussen kann Ihnen und mir gestohlen bleiben.