Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Vom unserem Umgang mit Wohltätern

∞  22 Dezember 2010, 13:38

Beim Showkampf der beiden besten Tennisspieler der Welt gestern in Zürich haben Roger Federer und Rafael Nadal die erstaunliche Summe von 2.5 Mio CHF für die Roger Federer Foundation gesammelt, die Kindern in Afrika eine Schulbildung ermöglichen will und in verschiedenen Ländern schon Projekte angestossen hat.

Nun habe ich eine “Reportage” bei Radio 1 verfolgt, für den die Journalistin recherchiert haben will, dass Federer selbst bisher rund 5 Mio CHF selbst in seine Stiftung eingezahlt hat.
Kommentar von der Kollegin im Studio:

Ob das bei bisher 60 Mio Preisgeldern viel oder wenig ist, mag jeder selbst beurteilen.

Ich ärgere mich darüber sehr, und es passt für mich in die Krux jeder karitativen Aktivität von Privatpersonen: Man kann es der öffentlichen Meinung gar nicht recht machen und muss sich stattdessen “beurteilen” lassen. Die einzige Lösung, will man auch in seinem Spendeverhalten sich einer unqualifizierten bis saudummen Beurteilung von aussen entziehen: Anonymität. Ich liebe die Kirchenkollekte und den Einzahlungsschein, und wenn ich einem Verein Geld zur Verfügung stelle, bei dem ich selbst Mitglied bin, dann verbitte ich mir jede öffentliche Erwähnung. Dahinter mag auch eine Form von Eitelkeit stecken: Ein anmassender Kommentar von aussen könnte dazu führen, dass mir die Lust an der Spende vergeht, womit die absolut falschen Personen Konsequenzen tragen müssten.

Es hat unzählige Konsequenzen, wenn sich ein Sportler zu Beginn seiner Karriere, mit nur 22 Jahren und nach dem Gewinn des ersten Grand Slam – Titels entscheidet, eine wohltätige Stiftung zu gründen. Dass ein so prominenter Mensch wie Roger Federer dafür seinen Namen zur Verfügung stellt, weil er Teil der Anziehung für Spender ist, macht wirtschaftlich Sinn, er nimmt damit aber auch sehr viel in Kauf…

Persönlich rate ich allen Stiftungsgründern ab, ihr soziales Werk mit ihrem Namen zu versehen – aus den gleichen Gründen. Nur so fühle ich mich als Spender oder Stiftungsinitiator auch frei, mein Engagement einzig gemäss meinem inneren Antrieb (und gemäss der Stiftungssatzungen) zu leisten und zu verwalten.

Wir alle, die von Wohltätigkeitsaktionen hören, müssen nicht in Ohnmacht vor Bewunderung fallen, wenn sich Menschen tatsächlich engagieren. Reagieren wir darauf aber abschätzig, oder anmassend mit einer Bewertung, so müssen wir uns sehr deutlich bewusst machen, dass wir damit gute Werke vergiften und eine Kultur der Demut und Dankbarkeit für eigenes erlebtes Glück angreifen – bis zu Konsequenzen für jene, die am Ende der Kette hier die Gewinner sein sollten. Wahrscheinlich beklagen die gleichen Menschen im nächsten Gespräch allgemein gesprochen die fehlende Solidarität in der Bevölkerung…

Auch und gerade reiche, erfolgsfokussierte Sportler, welche in aller Regel ein Jahrzehnt haben, in dem sie ihr Talent wirklich ausschöpfen können, erbringen einen unglaublichen Gesellschaftsdienst, wenn sie sich mitten in ihrer Karriere bereits mit Charity-Grossprojekten beschäftigen – oder ihre Organisation, ihr Umfeld mit entsprechenden Aufgaben betreuen.
Die Tat an sich ist herausragend. Denn sie braucht Aufmerksamkeit und Energie, die der Sportler bewusst aufbringen muss. Es ist etwas vom Wertvollsten, was er zu verschenken hat, denn für ihn ist es in dieser Lebensphase das knappste Gut überhaupt.

Ein schönes Beispiel für dieses grundsätzliche Verständnis eigener Verpflichtung zur Hilfe war auch Federers Reaktion auf die Erdbeben in Haiti, als er vor Turnierbeginn in den USA spontan einen Extra-Event mit Tennisgrössen anregte: Praktisch aus dem Nichts wurde ein Tennishighlight organisiert: Die Turnierorganisation, aktive Spieler und Legenden liessen sich anstecken, motivieren und machten mit – und 10’000 Zuschauer hatten ihren Spass und leisteten Ihre Hilfe. Und am Montag, dem Tag danach, startete das Turnier.
Ein Mann wie Federer hat das Zeug zum Vorbild, er steckt an, reisst mit, und er lebt eine Haltung vor. Ganz bescheiden. Es ist die Art Glorie, die man nicht hell genug strahlen lassen kann!

Und noch etwas Letztes: Ich habe zwei, drei Dia-Vorträge zu unseren Reisen in Sportclubs organisiert. Im Schnitt waren das Anlässe für 30 Leute, die einen Beitrag in freier Höhe für den Abend leisten konnten. Da kamen Menschen aller Vermögensklassen zusammen – und etwa 800 Franken pro Abend. Wenig? Viel? Es gibt dafür keinen Messwert. Unsere Idee entstand spontan, jede Spende ist eine Ausgabe, die sich beim Betreffenden zu seinen übrigen Aktivitäten und Ausgaben hinzu gesellt, und es gibt als Veranstalter nur eine Sichtweise:

Jeder Rappen zählt. Es ist ein Rappen. Nicht viel oder wenig. Es ist einfach Hilfe. Wenn er nicht hingeworfen wird, achtlos, sondern bewusst gegeben, als Zeichen der Solidarität, dann wird er zu Nächstenliebe. Und damit ein Stück Segen für Alle.