Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Vom Mitgefühl des Kritikers

∞  1 März 2010, 12:40

Möge ich mich stets daran erinnern, dass Mitgefühl mit allem, was lebt, bei mir selbst beginnt.
XIV. Dalai Lama


Wenn ich wie ein kleiner Berserker für ein Verhalten einstehe, dem ich einen Grundwert für das gesellschaftliche Leben zuordne, dann verpuffe ich meine Energie. Ich glaube, das ist etwas, was mir einige wohlmeinenden Freunde in den letzten Tagen zu sagen versuchten. In der Tat müssen wir alle bei unserem Tun wohl stets im Auge behalten, was dies mit uns selbst macht: Der Impuls für ein Einstehen, für eine Kritik oder gar eine Anklage mag ein geortetes Unrecht sein. Mache ich persönlich ein solches aus und kann es auch noch an einer Person (Opfer oder Täter) festmachen, so ist es nicht mehr weit bis zu meinem Säbelwetzen für eine Sache und für andere. Und auch für mich. Denn natürlich sehe ich dabei, dass bei einer anderen Gelegenheit ich der Leidtragende sein könnte. Bis zu diesem Punkt ist alles fein, okay, und ich kann mir selbst sagen: Go ahead.
Für die Selbstreinigung, für das innere Gleichgewicht muss dann aber etwas folgen, was ich nur mit mir selbst verhandeln kann:

1. Ein Vorfall löst die Kritik aus
2. Die Kritik darf formuliert werden.
3. Die Kritik führt zu Reaktionen, Zustimmung und Gegenkritik.
4. Es ändert sich nichts oder wenig.
5. Was heisst das für mich?

Ich kann entscheiden, wie wichtig mir ein Thema ist. Ich mache mit mir selbst aus, ob ich mit meinem Tun oder meinem Nichttun am nächsten Morgen in den Spiegel schauen kann. Ich beschäftige mich weiter mit dem Thema, überprüfe meine Positionen, bedenke Gegenmeinungen und habe damit meinen Standpunkt. Das alles kann ich beeinflussen. Was ich nicht kann: Überzeugen. Denn das ist nicht das Gleiche wie Überreden. Ich sehe doch an mir selbst, dass Überzeugungen aus sich selbst wachsen müssen – genau so, wie ich selbst bereit sein muss, eine eigene Position zu korrigieren. Wann wer wo wie dazu bereit ist, darf ich nicht zu meiner ersten Sorge machen. Ich fühle mich dem verantwortlich, von dem ich glaube, dass es “wahr” ist. Wer das alles auch so sieht, oder eben nicht, das muss ich so annehmen. Es ist eine Art Demut des Basisdemokraten, der alles sein will, nur kein Diktator. Also muss alles für den Moment gut genug sein, so wie es ist.

An was Seelen wie Frau Zappadong und ich wohl manchmal leiden, ist unsere eigene Vielschichtigkeit. Wir sind nun mal schwer einzuordnen, und so findet sich jeder unserer Freunde und virtuellen Begleiter von Fall zu Fall plötzlich unvermittelt auf der Gegenseite wieder. Wenn ich selbst sagen müsste, welchen Leitlinien ich mich verpflichtet sehen würde, dann könnte ich einen langen Vortrag halten. Am Ende aber wäre wohl ein Satz wie das einleitende Zitat schlüssig genug:
Ich möchte lebendig sein und dabei allem Leben so gerecht wie möglich werden. Und ich möchte versöhnend genug sein, dass ich auch Frieden stifte. Auch mit mir selbst.