Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Vom Menschen und seiner Wärme

∞  24 Mai 2011, 23:22

Unser Bedarf an Wärme, und was Reh und Strassenmusikant damit zu tun haben…


Beim Abendessen heute höre ich von einem deutschen Kollegen, der bis dato eine Jagdpacht geführt hat, dass die alten Verträge nicht erneuert würden, weil der Waldnutzung andere Prioritäten zugewiesen worden sind.

Bis dato galt im Wald: Wild kommt vor Wald. Das war einmal. Nun ist es umgekehrt. Wenn der Wald mehr genutzt wird (Holzgewinnung), muss der lebende Wildbestand auf ein Drittel reduziert werden.

Ist es nicht unglaublich, wie schleichend, ja manchmal auch wie rasend schnell und in jedem Fall stetig wir dem Wachstum und unserem Bau- und Energiehunger wirklich alles unterordnen, kaum lockt dazu noch “Wirtschaftlichkeit”? So nennt man “Kohle machen können”, wenn mit Holzschlag plötzlich wieder gutes Geld verdient werden kann.

Ich gehe nachdenklich nach Hause, als mich auf einer Brücke im Nachtschatten die ersten Gitarrenklänge aus den Gedanken aufmerken lassen: Ich habe kein Musikgehör, aber der Spieler scheint mir richtig gut zu spielen, und der kleine Verstärker trägt die Töne aufs Wasser, wo der Klang der Melodien über die lautlose Strömung streicht.

In solchen Fällen, wenn mich ein Strassenkünstler für ein inneres Anhalten aus dem Grübeln befreit, zücke ich immer ein paar Münzen. Der Mann kauert in der Kälte, aber er macht diese Brücke zu einem Ort, wo es Passanten warm wird ums Herz. Ich sehe zwei Paare, die sich enger gegenseitig einhaken, bevor sie weiter gehen. Und auch ich gehe weiter. Ich wünsche dem Gitarrenspieler einen Auftritt in einem kleinen Saal, wo wir ihn besuchen, nicht von ihm angehalten werden müssen. Und gleichzeitig wünsche ich mir, dass er genau da bleibt, wo er auch mich erreicht hat. Dass alle, die da lang müssen, einen Moment lang mehr Zeit haben. Welche Menschen fällen Bäume? Sicher ist, dass sie es in unserem Namen tun – weil sie sagen oder behaupten, dass wir mehr Wärme wollen. Wollen wir das – so – wirklich?