Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Vom Glück der Bescheidenheit

∞  2 Januar 2012, 17:00

Freue dich an deinen Erfolgen und Plänen. Strebe wohl danach, weiterzukommen, doch bleibe bescheiden. Das ist ein guter Besitz im wechselnden Glück des Lebens.

Aus Irland



Wie manche Lebensgeschichte ist voller Wechselbäder, wie hoch steigt mancher, wie tief fallen andere, wie kleinlaut muss plötzlich jemand klingen, der noch vor kurzem grosse Töne hören liess. Ganze Volkswirtschaften und Kulturen steigen hoch und fallen tief. Wer die Spitze erklimmt, sitzt immer auf einem geborgten Platz.


Das grösste Glück sucht keine Schweinwerfer, braucht sie nicht, kennt eher ihre Gefahren und macht sich vom Erfolg unabhängig. Bescheidenheit ist die Anerkennung, die man sich selbst schenkt – denn sie bedeutet, dass man auch im grössten Erfolg nicht vergisst, dass das, was den eigenen Charakter, die eigene Liebeswürde ausmacht, auf jeden Weg mitgenommen werden kann, eine Art Rüstzeug ist, das einem nicht genommen werden kann, wenn man es nicht zulässt.

Ein erfahrender Bergsteiger erklimmt den Gipfel, um die Aussicht zu geniessen, er freut sich über Wissen, Umsicht, Kraft, Energie, Leistung, welche den Gipfelsturm möglich machte und empfindet Dankbarkeit für die glücklichen Umstände, welche die Leistung möglich machten. Er nimmt das mit ins Tal, was ihm aus dem Erleben dauerhaft bleiben kann, und das andere darf Geschichte werden. Nach ihm kommen andere, mit grösseren Leistungen, schnelleren Besteigungen, mehr Erfolg – aber auch mit diesem Ausmass an Zufriedenheit? Selbst das wäre ihnen zu gönnen. Es macht nichts Eigenes wertloser – im Gegenteil.

In allem, was wir tun, liegt eine innere Frage: Macht es mich zufrieden? Ist dieses Tun Meins? Leiste ich aus eigenem Antrieb? Welche Anerkennung brauche ich? Welchen Lohn fordere ich?

Wenn das Leben steinig wird, wenn sich darin die Brüche häufen, wenn die Zeit vor uns kürzer wird als die Zeit hinter uns, die doch so schnell Vergangenheit wurde, dann werden wir in unseren Gipfelstürmen nicht nur schneller müde, weil unsere Kräfte nachlassen. Wir beobachten uns auch mehr, stellen schneller mal ein “Warum?” vor den nächsten Schritt – aber wir lassen vielleicht auch eher Antworten zu, die wir uns früher verbeten haben. Wir können mal etwas sein lassen. Wir können jeden Tag freier werden. Bis ans Ende der Tage.