Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Vom Fabrikantenstolz (naive Bemerkungen?)

∞  9 Mai 2012, 12:55

Wenn man als europäische Firma so genannte Alltagsgegenstände produziert, also Dinge, die, wenn man sie unter dem reinen Preisgedanken betrachtet, schlicht Massenware sind, hat man zwei Möglichkeiten:

Man kann sich die Meinung eines (Gross-)Teils der Kunden zu eigen machen und davon ausgehen, dass man eben “nur” diese Dinge mit beschränktem Innovationspotential produziert, unnötiges Risiko und vor allem Naivität ausschliessen mag (ein immer kleidsamer Mantel für frühzeitig aufgegebenen Fabrikantenstolz) – und die Produktion nach Fernost auslagern – oder man kann die Herausforderung darin sehen, das scheinbar Einfache besser zu machen – und nie in diesem Bestreben aufzuhören. Das Massengeschäft wird man damit vielleicht nie besorgen können, aber die Nische standhaft besetzen sehr wohl. Und wenn dann der Wind wieder dreht, und er dreht immer wieder, dann haben solche Firmen die Nase im Wind.

Ich kenne – auch und gerade unter Schweizer Firmen – beides, wobei von besonderer Peinlichkeit jene Fabrikanten sind, die sich nur auf die Bevorzugung durch den Schweizer Standort verlassen haben und dabei wirklich bei jeder Gefahr sich schnell nochmals das Brett vor den Kopf gezogen haben. Nur weniger peinlich empfinde ich allerdings jene Kunden, und zu denen gehören auch ganz grosse respektierte Schweizer Unternehmen, welche “Swiss Made” mit “Swissness” erst ausdünnten, um dann Schweizer Ursprung als Deklaration und Qualitätsmerkmal völlig zu pervertieren – durch immer geringere Qualitätsvorgaben und bald lächerlich erscheinende Anteile wirklicher Ursprungsleistung aus unserem Land. Das ist ein Schlag ins Gesicht jener Firmen, die durch ihre wirkliche Produktpflege dem Schweizer Qualitätsempfinden, das es durchaus noch gibt, Nahrung geben wollen und den Mut haben, dafür auch hochwertigere Produkte zu höheren Preisen vorzusehen.

Wohl verstanden: Der Kunde soll immer wählen können, und am Ende bestimmt er, was gilt. Wenn ein Shop aber Billigware wählt, dann soll er auch bei der richtigen Deklaration bleiben. Es genügt schon, dass immer mehr Ladenketten sich in immer mehr Fällen gar nicht mehr vorstellen können, dem Kunden wirklich die Wahl zu lassen: Es wird für ihn vorentschieden und nur die Billig-Variante in Betracht gezogen. Der erste Schritt ist dann, dass die bessere Alternative fehlt. Etwas später können wir dann wieder wählen: Zwischen zwei billigen Varianten.

Wie gesagt, es ist nicht leicht, in diesem Karussell Gegensteuer zu geben. Und doch kann es erfolgreich sein. Wer das schafft, hat meinen allergrössten Respekt.