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Verunsicherung durch einen politisch instrumentalisierten Islam verspüren insbesondere auch alevitische Menschen in Europa

∞  11 Dezember 2009, 00:01

Bei side effects gefunden und auch hier im Wortlaut wieder gegeben:

Presseerklärung der Alevitischen Gemeinde Deutschlands zur Abstimmung über das Minarettverbot in der Schweiz


02-12-09

VON: ESER POLAT / ALI ERTAN TOPRAK

Die Alevitische Gemeinde Deutschlands ruft zur Besonnenheit und Zurückhaltung in der Kritik mit der Schweiz und Ihren Bürgern auf.

Grundsätzlich begrüßt die Alevitische Gemeinde Deutschlands den Umstand, dass mündige Bürger im Rahmen einer direkten, demokratischen Abstimmung über relevante Themen ihres Lebensalltags entscheiden können. In diesem Licht ist auch die Volksabstimmung über ein Minarettverbot in der Schweiz zunächst zu sehen.

Ob eine solche Abstimmung und Ihr Ergebnis mit schweizerischem Recht oder den Grundsätzen der Menschenrechte vereinbar ist, wird in der nächsten Zeit sicherlich durch die zuständigen nationalen und internationalen Institutionen im Rahmen einer nüchternen Betrachtung geklärt werden.

Grundsätzlich muss die Religionsfreiheit als Grund- und Menschenrecht für alle Religionsgemeinschaften gewahrt werden. Dies beinhaltet auch den Bau und Betrieb von Gotteshäusern in der durch die Religion vorgeschriebenen Form. Es ist ein Widerspruch, einerseits Transparenz zu verlangen und Moschen aus den radikalen Hinterhöfen herausholen zu wollen, jedoch andererseits beim Sichtbarwerden von Moscheen die entsprechende Optik verbieten zu wollen.

Die Alevitische Gemeinde Deutschlands warnt jedoch nachdrücklich davor, das Abstimmungsergebnis als bloße Islamphobie oder gar Ausländerhass zu interpretieren und zu instrumentalisieren. Dieses Ergebnis ist vielmehr der Ausdruck eines zunehmenden Gefühls der Verunsicherung weiter Teile der Bevölkerung nicht nur in der Schweiz. Diese Verunsicherung durch einen politisch instrumentalisierten Islam verspüren insbesondere auch alevitische Menschen in Europa. Dieser Umstand muss von der Politik endlich ernst genommen werden, denn die Gründe hierfür sind alles andere als irrational.

Das Abstimmungsergebnis sollte zum Anlass genommen werden, offen und mutig über Defizite, fehlende Transparenz islamischer Verbände und in weiten Teilen missglückte Integration auch in Deutschland zu sprechen. Eine Tabuisierung dieser Ängste sowie die politische Verunglimpfung von berechtigter Kritik am Islam als Religion und Islamverbänden als deren Repräsentanten in Europa, schadet in aller erster Linie den in Europa lebenden Muslimen selbst. Ein friedliches und freundliches Miteinander der Religionen in Europa und somit auch in Deutschland wird nicht möglich sein, solange falsch verstandene Toleranz und Tabuisierungen von Realitäten bei den Menschen berechtigte Ängste hervorrufen.

In diesem Zusammenhang ist die Alevitische Gemeinde Deutschlands empört über Äußerungen des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan, der die Schweizer Entscheidung als „zunehmende rassistische und faschistische Haltung in Europa“ wertet und Islamphobie als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ bezeichnet. Die Alevitische Gemeinde Deutschlands weist an dieser Stelle wiederholt auf die Situation der Aleviten, Christen, Juden aber auch Atheisten in der Türkei hin. Diese Menschen machen leidvolle Erfahrungen mit der Regierung Erdogan, die sich gegenüber Europa zwar als demokratisch und den Menschenrechten verpflichtet darstellt, in der Innenpolitik jedoch eine menschenverachtende Assimilationspolitik betreibt, für die stellvertretend auf die Situation des Klosters Mor Gabriel, des Priesterseminars auf der Insel Chalki oder den exzessiven Moscheebau in alevitischen Dörfern verwiesen wird. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.

Bei Rückfragen wenden Sie sich an den 2. Bundesvorsitzenden der Alevitischen Gemeinde Deutschland Herrn Ali Ertan Toprak

Tel: 02 21/ 9 49 85 60


Die Wortmeldung macht Hoffnung. Es gilt aber zu beachten, dass die Aleviten selbst eine verfolgte Minderheit darstellen und von vielen Muslimen gar nicht anerkannt werden.
Die 5 Säulen des Islams sind für die Aleviten Äusserlichkeiten, die nicht (unbedingt) praktiziert werden müssen. In der Türkei war die Bewegung massgeblich an der Bildung des laizistsichen Staates mit beteiligt, hat also auch keine Probleme mit der grundsätzlichen Trennung von Kirche und Staat, anders als im schiitischen und sunnitischen Islam spielt die Scharia keine Rolle.
Aus diesen Gründen werden sie von den Hauptrichtungen des Islams auch nicht wirklich als Moslems anerkannt.

Basisinformationen vermittelt inforel.ch und daselbst v.a. Was ist Alevismus?
Unter anderem:

Aleviten fallen in unserer modernen Gesellschaft nicht auf, weil sie sehr anpassungsfähig sind. Sie tragen keine spezielle Kleidung oder Kopfbedeckung, die auf ihre Kultur oder Religion hinweist.

Aleviten bekennen sich zu Humanität und Demokratie, deshalb kommt ihnen unsere Staatsform entgegen. Scharia, das islamische Gesetz, lehnen Aleviten ab. Das ist der wichtigste Unterschied zu den Sunniten. Aleviten kennen keine Pflichtgebete. Aleviten brauchen zum Beten keinen besonderen Raum und keine spezielle Zeit. Jede Alevitin und jeder Alevit betet dann und dort, wo er oder sie will auf eine Art, wie es ihm oder ihr entspricht. Der Koran ist für Aleviten kein Gesetzbuch, sondern die Niederschrift von Offenbarungen, die kritisch gelesen werden dürfen.

Mann und Frau sind gleichberechtigt. Zu anderen Religionen, Glaubensbekenntnissen und Ideologien haben Aleviten ein sehr offenes Verhältnis. Auf eine undogmatische Weise fühlen sie sich der Humanität verpflichtet. Die Menschenrechte im ganzen sowie die Meinungs- und Religionsfreiheit im speziellen werden von ihnen ausdrücklich bejaht. Jedem Menschen wird ausdrücklich das Recht auf einen eigenen Glauben zugestanden.

Über die Anzahl der Aleviten gibt es nur Schätzungen. In ihrer Heimat, der Türkei, werden sie nicht als eigenständige Religionsgemeinschaft anerkannt, sondern den Sunniten zugeschlagen, deshalb sind keine offiziellen Zahlen erhältlich. Aleviten nehmen an, dass etwa zwanzig Millionen zu ihrer Gemeinschaft gehören.



Die Web-Seite der Bewegung in Deutsch(land) ist sehr umfangreich und informativ:
www.alevi.com