Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Verdacht auf Vorschuss für Mitarbeiter?

∞  9 Januar 2013, 17:46

Foto: Thinkabout

Lidl tut es, Aldi wird immer wieder verdächtigt, es zu tun: Die Kameraüberwachung – und Schlimmeres. Die deutschen Discounter leiden unter einem Kontrollwahn, der vor ihren Mitarbeitern nicht aufhört, sondern da erst so richtig beginnt.

Es gibt allgemeine Erkenntnisse, dass in Ladengeschäften prozentual mehr Mitarbeiter klauen als dies Kunden tun. Das ist so, gilt aber für die Angestellten aller Ketten und wohl aller Länder genau so und ist nicht so fern von Dingen, die wir alle kennen: Der Büromaterialschrank in der Firma, die guten Reinigungstücher im Spital, die Snacks im Hotel, was auch immer. Gelegenheit macht Diebe, und Mitarbeiter haben mehr Gelegenheiten als andere. Es bleibt dennoch fatal, ihnen das Vertrauen zu entziehen, oder sie quasi auf Vorschuss zu verdächtigen. Interessant, dass es doch immer wieder praktiziert wird, und zwar regelmässig in Arbeitssegmenten, die eh nicht zu den Schokoladenjobs gehören. Der Kontrollwahn ist nirgends ausgeprägter, und das ist wohl nur möglich, weil der schlecht bezahlte Job so häufig auch noch der dringendst benötigte Job ist, das Geld aber eben doch nirgends hinreicht. Ich will hier keinen einzigen Langfinger entschuldigen, aber es befremdet schon, wie Kontrollsysteme in Firmen gerade dort ins Absurde ausgedehnt werden, wo umgekehrt die Firmenleitung höchsten Wert auf Verschwiegenheit legt.

Kamerainstallationen in Regalfluchten sind – zumal wenn sie öffentlich sichtbar sind – als Abschreckung heute oft üblich. Doch die Kontrolle der Mitarbeiter geht ja viel weiter – es geht ja dabei immer um die Auswertung des Materials: Kontrolle des Arbeitstempos an der Kasse, Aufspüren von Beziehungen unter Mitarbeitern usw. Detektive sollen womöglich gar die finanziellen Verhältnisse der Angestellten ausspionieren – es findet sich bestimmt noch manches Betätigungsfeld.

Ein Machtapparat, der dem Kontrollwahn verfällt, ist eine Hybris, die sich unweigerlich immer mehr aufbläht. Wie allerdings soll in einem solchen Geist noch der Grundgedanke des Verkäufers Platz haben: Bist du, Kunde, mit meinem Produkt, das jetzt deines ist, zufrieden? Der gnadenlose Blick auf den Preis fördert die Rechtfertigung aller Begleitumstände. Und wenn du, Kunde, nicht zufrieden bist, dann gib mir das Produkt einfach zurück. Begründung? Brauche ich nicht. Nimm einfach ein neues. Und komm vor allem wieder! Die Zahl der Retouren wird dann wieder zum Druckargument bei neuen Konditionenverhandlungen mit Lieferanten.
Das ist mehr und mehr die Warenwelt, in der wir einkaufen, und, eben, auch arbeiten.