Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Unsere sterbenden Träume

∞  8 Oktober 2013, 19:57

Was geschieht eigentlich mit unseren Träumen, wenn wir (erst) erwachsen und dann wirklich älter werden?

Wir kaufen dann Versicherungen und zahlen in Rentenprogramme ein, um irgendwann uns über das Kleingedruckte belehren lassen zu müssen und über ungenügende Deckungsgrade. Die fehlenden Träume haben wir im besten Fall in der Zwischenzeit mit dem Kauf von Sachen kompensiert, die uns Coolness versichern, aber so wirklich im Griff haben wir wohl gar nichts.

Je älter wir werden, um so weniger scheinen wir uns zuzutrauen, oder vom Leben zu erwarten. Also, von unser aller Leben. Die grossen Pläne, die alternativen Entwürfe, das immerhin als Trost, funktionierten schon immer, wenn, dann in der kleinen Zelle. Und mehr braucht es doch eigentlich auch gar nicht. Eine Idee wird nicht besser, wenn sie bejubelt wird. Praktikabel muss sie sein, und versucht werden sollte sie. Wie sie nieder gemacht wird, nur weil Phantasie die Langweiligen beschämt, ist wirklich unerheblich. In einer Welt, in der die Finanzwelt den Sparern ins Gesicht lacht, Politiker Renten verknappen und Börsen Vermögen vernichten und jeder versucht, so lange zu den Gewinnern zu gehören, wie möglich, also der ein bisschen schlauere Raffzahn zu sein als der Nachbar nebenan – in dieser Welt ist Unabhängigkeit nur mehr ein Schlagwort, eine Hülse, womöglich selbst ein Marketinggedöns wie “Nachhaltigkeit”, und schon gar nicht eine Haltung, die gewollt oder erwünscht wäre.

Nichts – oder immerhin weniger zu brauchen, als man hat, ist geradezu schädlich, zerstörerisch, subversiv.

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Das ist der Traum, der zur Utopie werden sollte und womöglich zur Ideologie:

Hören, um zu verstehen.
Reden um zu erklären.
Denken um zu lernen.
Schauen um zu sehen.
Tasten um zu fühlen.
Da sein im Dasein,
um Mensch zu werden.

Was müssen wir denn erreichen,
wenn unser letztes Hemd keine Taschen hat?

Muss uns etwas anderes wirklich beschäftigen im Leben
als die Frage, wer wir wirklich sind und wohin wir gehen?

Ich habe einen Traum:

Dass der Mensch nicht länger fragt, was die Welt für ihn tun soll.
Dass er aber wissen will, was er für die Welt tun kann.

Und dass er dafür eine Vorstellung bekommt, eine Idee, einen Sinn, der ihn über die eigene Nasenspitze hinaus blicken lässt.

Ich träume diesen Traum allerdings nur noch selten.