Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Unser Buch der Bücher

∞  22 April 2011, 15:41

Die Bibel erzählt vom Tod Jesu. Für manche ist Gott eh tot. Ganz egal, was wir glauben können – wir sollten immer mal wieder in der Bibel lesen. Die Kreuzigung Jesu ist auch das scheinbare Fiasko einer göttlichen Liebeserklärung an uns Menschen: Damals wurde sie abgelehnt, bekämpft. Heute reicht ein Übersehen. Wir glauben einfach, ohne Glaube auszukommen. Elend ist auch dies. Nirgends, in keinem in der westlichen Welt gelesenen Buch, wird der Mensch ganzheitlicher angenommen als in der Bibel. Behalten wir es also im Regal, oder auf dem Nachttisch. Und klappen wir es immer mal wieder auf.


Karfreitag. Der Tod Jesu. Noch berichtet jede Zeitung über die Ostergeschichte. Meistens ist eine kritische gesellschaftliche Betrachtung nicht weit, als benötigte der Moment einer Besinnung auch und gerade an diesem Tag die Legitimation einer abgeklärten Gesellschaftskritik (Ein Bericht über Frauen an Karfreitagsprozessionen, wo sie geduldet werden und wo nicht, zum Beispiel). Welche Bedeutung hat die Kreuzigung Jesu und der Glaube an seine Auferstehung heute noch? Wir reflektieren über die Gesellschaft, zu der wir gehören. Und sind ihr Abbild, indem uns in unserer aufgeklärten Weltsicht, in der Wunder keinen Platz mehr haben, ein Gleichnis zum Märchen verkommt. Wir deuten uns die Bibel als Buch unter Büchern statt als Buch der Bücher.

Ich laufe auch persönlich in genau diesem Kontext immer wieder Gefahr, die spirituelle Kraft der Bibel kleiner zu denken. Glaube ist nicht mehr bibelbuchstabentreu zu verinnerlichen. Die Bibel braucht Erklärung, Deutung. Braucht sie auch Autorität? Auf sie gründen Konfessionen, die sich in dem gleichen Textwerk auserwählt sehen. Es wird die richtige Lehre proklamiert, die falsche reklamiert. Alle spirituellen Bücher, welche Religionen begründet haben, sind gleichzeitig Spaltpilze, ja gar Kriegslegitimation gewesen.

Wenn dieses Buch nun aber in seinen Sinnbildern eine innere Autorität besitzt, die seinem Leser getreu dessen Lebenserfahrungen die Gewissheit zu geben vermag, was wahr ist? Dieses Buch verlangt nicht erklärt zu werden. Nur gelesen. Es liegt an uns, welche Wahrheiten wir anerkennen wollen. Die Tatsache, dass wir mit dem Glück, das es verspricht und erst recht nicht mit dem Leid, das es nicht ausschliesst, oft überfordert sind, spricht nicht gegen den Text. Darin liegt vor allem ein Argument, dass wir es uns immer mal wieder zur Hand nehmen sollten.

Ostern ist jedes Jahr. Das ist eine Mut machende Gewissheit.