Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Unsachliches Gezwänge (Reflexion)

∞  8 März 2008, 06:45

Sachzwänge lernen Sie erst als in die Pubertät kommender Jugendlicher kennen. Sie entwickeln Ideen und haben in der Regel ein gutes Gefühl für die Rechtmässigkeit oder eben die Unrechtmässigkeit des Geschehens in der Welt, sei es um die Hausecke oder auf der anderen Seite der Erdkugel. Natürlich mögen Ihre Argumente nicht ausgereift sein. Dennoch erschöpft sich die Diskussion allzu oft in einer Formel wie: “Das verstehst Du nicht”, oder “der Mensch lebt nicht vom Brot allein”.

Sie hören, was man immer schon so gemacht hat und warum, aber so richtig klar ist es eigentlich nicht. Dann lernen Sie einen Beruf, weil, von irgendwas muss der Mensch ja leben, und Ihre eigenen Ziele werden weltlicher und bodenständiger, das Häuschen muss abbezahlt werden etc. Sie werden verwandt mit ihren eigenen Sachzwängen, und wenn Sie Glück haben, sind es welche, die Sie ganz bewusst in Kauf genommen haben, weil sie dahinter den Lohn dafür sehen und sich nicht in ihrer Entwicklung kompromittiert glauben – oder andere darin behindern.

Hellhörig sollte ich immer dann werden, wenn das Wörtchen “man” im Zusammenhang mit Regeln gebraucht wird. “Das macht man so”, ist ein schwaches Argument (in dem Spital bin ich selbst des öfteren ziemlich krank).

Warum machen Sie es? Weil es alle so machen?

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich sage nicht, dass es falsch ist, sich nach solchen Zielen zu richten. Ich sage nur, dass es unstatthaft ist, sie als allgemein verbindlich zu betrachten und ihnen die “Schuld” zuzuweisen, dass wir selbst nicht anders können. Wenn wir das Wörtchen “man” mehr durch “ich” ersetzen, wird es verbindlicher – und lässt doch dem Gegenüber mehr Raum, die eigene Ich-Person zu finden. Und irgendwie ist es doch spannend an der gesellschaftlichen Entwicklung, dass der höhere Wert der Individualität dazu führt, dass wir immer weniger Grund haben zu sagen:

Ich kann wirklich nicht anders.

Es gibt immer mehr Raum, es zumindest zu versuchen. Ich muss mich nur schneller vom Wunsch trennen, dass es die absolute Sicherheit geben möge. Schneller, als dies die Realität uns alle lehrt. Die Gesellschaft aber wird immer weniger Druck aufbauen können, um uns in festen Lebensmustern gefangen zu halten.

Den Versuch aufs Exempel muss ich allerdings selbst wagen.