Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Und was ist Ihre Meditation?

∞  15 Juni 2008, 16:33



Meditation – auch so ein Wort, das wir mit fixen Vorstellungen verbinden, ohne dass sie uns die Essenz des Begriffs wirklich erschliessen würden.


Heute muss ich das Wort Meditation – vermeintlich – niemandem mehr erklären. Erscheinungsformen, Elemente des Buddhismus haben längst Einzug gehalten in unseren Lifestyle. So muss man das wohl nennen, wenn man unsere Vorstellungen von meditativen Praktiken etwas näher durchleuchtet.

Schaudernd erinnere ich mich auch an unseren letzten Besuch im Möbelgeschäft vor ein paar wenigen Tagen: Buddhafiguren in allen Grössen – uniform gegossene Un-Achtsamkeit gegenüber jeder tieferen Essenz dessen, was man doch eigentlich erlangen möchte: Innere Ruhe und Einkehr.

Wir machen aus allen Errungenschaften internationalen Austauschs sogleich Trends. Wir hören nicht zu. Wir haben von etwas gehört. Der Weg ist das Ziel, und das ist verlockend. Das scheint uns so stressfrei daher zu kommen. Aber wir machen einen Zweck immer gleich zu einem Ziel und sorgen damit sogleich sehr wohl für Unruhe – und Ungeduld. Wir schaffen es nie und nicht wirklich, ohne Ziele auszukommen. Wir sehen im Trend ein Angebot, besuchen Kurse und fragen am Ende: Und wo ist sie denn jetzt, diese Ruhe?

Wenn das alles an Ihnen vorbei gegangen ist, dann kann ich Sie beruhigen. Es darf dies auch weiterhin: An Ihnen vorbei gehen. Wenn Sie etwas Meditativer durchs Leben gehen möchten, brauchen Sie äusserlich gar nicht unbedingt etwas zu verändern. Beherzigen Sie einfach den Satz eines Meisters zu diesem Thema:


Meditation bedeutet schlicht und einfach annehmen.

Yeshe Losal



Lama Yeshe Losal beschreibt seinen Frust, dass er in seinen Retreats immer wieder, kaum hatte er sich wo wohnlich eingerichtet, von Bauarbeiten heimgesucht wurde. Das brachte ihn so völlig aus dem Konzept, dass er jegliche innere Ruhe verlor, statt sie zu gewinnen. Bis ihm sein Lehrer sagte:

“Der Lärm ist deine Meditation.”

Meditation lehrt die Annahme. Bevor die kreisenden Gedanken weichen können, muss man ihre Gegenwart annehmen, sie aushalten, sich austoben lassen. Das lässt sich nicht nur sitzend im stillen Kämmerlein üben, sondern bei allen Tätigkeiten, im ganz normalen Alltag: Wenn ich nichts mehr abwehren muss, was mich eh heimsuchen wird, wenn es will, so kann ich es auch ganz gelassen geschehen und wieder abziehen lassen.

Dies hat nichts mit Gleichgültigkeit zu tun. Sondern mit der Erfahrung, dass ich durch meine Haltung dem Geschehen gegenüber mehr bewirke, als durch meine Reaktion, Aktivismus im Ereignis. Und dieses Ereignis: Ist es nicht sogleich ein anderes, wenn es meine Gefühle nicht in Aufruhr bringt?

Meditation ist also durchaus auch eine Lebensform für den aktiven Alltag. Natürlich ist es und bleibt es aber auch eine Form der Besinnung, die einen gewissen Rückzug, eine Rückbesinnung und Einkehr erfordert, will man sie zu einem wesentlichen Teil seines Lebens machen.

Ich werde den wunderbaren Satz eines Freundes nie vergessen:
Er fragte meine Frau, was sie denn nun mit der neuen freien Zeit anzufangen gedenke? Als sie ihm antwortete, dass sie täglich längere Zeit meditiere, antwortete er ganz einfach, schlicht, unprätentiös aber mit tiefem Ernst:

Ich danke Dir, dass Du das für uns tust.

Und das ist der Grund, dass ich versuche, behutsam durch die Wohnung zu gehen, ohne Lärm zu machen, wenn Thinkabouts Wife nebenan meditiert. Mein Lärm soll nicht Ihre Meditation sein müssen. Da gönne ich mir und meinem Freund mehr. Und gleichzeitig bin ich froh, dass es meinerseits kein bestimmtes Verhalten bräuchte. Ich tue es aus meinem eigenen inneren Antrieb heraus, aus meinem Sehnen nach Ruhe und Einklang.

Wenn mich jemand fragt, was ich in unserem Leben als das Wertvollste betrachte, dann denke ich nicht zuletzt an diese Stunden. Sagen tue ich es in der Regel nicht. Ich will “es”, dieses Wissen, dieses stille Begreifen, nicht durch fremdes Unverständnis entweihen. Aber in meiner kleinen Welt ist dieses stille Beispiel einer ernsthaften Praxis reine Nachhaltigkeit.

Warum auch immer es geschehen sein mag und es weiter geschieht: Auf mich wirkt dieses Tun meiner Frau ein. Meine Zeiten der Stille, in ganz anderer Form sich entwickelnd, wären ohne diesen kleinen Wandel, diesen Weg, den ich still begleiten und erleben darf, nicht möglich.

Wenn Sie heute ein Gespräch führen oder an geführte Konversationen zurück denken, dann werden Sie fühlen: Jeder gesprochene Gedanke, jedes reflektierte Gefühl wirkt nach. Selten wird es uns bewusst, und doch stimmt es immer. Im Grunde wissen wir das alle. Darum ist nichts so wertvoll wie das innere Gleichgewicht. Was aus dem inneren Frieden gesagt oder nicht gesagt wird, hat Wirkung.

Auch eine Form von Nachhaltigkeit.

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[Bildquelle: (c) Thinkabout, Wilson Promontory National Park, Australien]


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