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Uli Hoeness, der Trader, der Dealer

∞  5 August 2013, 21:26

Uli Hoeness soll laut Spiegel “in mehreren Jahren” 33’000 Börsentransaktionen auf seinem Bankkonto bei Vontobel veranlasst haben. Das Geschrei ist nun gross über diesen Ausbund eines scheinheiligen Kapitalisten, der zum Börsenspekulanten wurde. Dabei schwappt die Aufregung wieder mal über den Kern hinweg wie kochende Milch über den Pfannenrand.


istock.com/studiovision: “The Deal”


Festhalten sollte man dabei nämlich auch, dass dieses neue Faktum nur Ausdruck eines Verhaltens ist, über das Hoeness selbst in einem Interview schon gesprochen hat. Es ist also nicht so sehr empörend, vorgelegt zu bekommen, dass es tatsächlich so war. Und um so erschreckender oder auch erhellender, an diesem Beispiel vorgeführt zu bekommen, was der Einstieg in Börsengeschäfte aus einer Privatperson machen kann – wohlverstanden aus einer, die nicht gerade weltfremd durchs Leben gewandelt ist und auf den verschiedensten Parketts rutschsicher getanzt hat.

Hoeness selbst hat in einem Interview mit der Zeit frühzeitig erklärt, dass ihm das Spiel mit der Börse über den Kopf wuchs und dass er zeitweise am Tage wie nachts unablässig handelte und die Entwicklungen verfolgte.

Nun haben wir eine Zahl: 33’000 Transaktionen in “mehreren Jahren” – wenn wir fünf Jahre veranschlagen, dann sind das 18 pro Tag, bei zehn Jahren kommen wir immer noch auf 9 Aufträge pro Tag. Im Durchschnitt. Egal, ob Ferien, Meisterfeier mit Bayern oder Aufsichtsratssitzung in der Wurstfabrik – man mag sich gar nicht vorstellen, wo und wann einerseits so was auch noch Platz hatte, oder wie oft umgekehrt an ruhigen Tagen Aufträge veranlasst wurden.

Hoeness selbst hat, wie gesagt, spielsuchtähnliche Symptome an sich ausgemacht, hat aber bestritten, krank gewesen zu sein, ist in jedem Fall aber sicher, es nun nicht mehr zu sein. Das wirklich erschlagende an dieser Geschichte bleibt, dass ein Mann wie der angesehendste Sportvereinsmanager Europas so sehr seine innere Fokussierung verlieren konnte. Und die Geschichte legt offen, welche Anziehung von der Börse ausgeht – für Privatpersonen, die zu Spekulanten, Zockern und Hightradern werden, genau so, wie für die Profis, die einzelnen Händler an den (virtuellen) Börsenringen oder die Bankenführungen, so dass nicht nur das Spiel gewonnen werden soll, sondern auch das Spiel an sich manipuliert wird, bis zur Steuerung von Indexwerten etc. Die Grenzen der Zerstörung jeder Moral und der Biegung jedes Rückgrats sind an der Börse schlicht nicht vorhanden. Es ist nicht mehr und nicht weniger als ein Casino – mit dem Unterschied, dass jene, die das Casino führen, selbst auch noch mitspielen.

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Thinkabout-Texte zu Uli Hoeness
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