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Top-Managerinnen

∞  18 November 2011, 13:19

Die Financial Times kürt jedes Jahr die besten Top-Managerinnen: The Top 50 Women. Sinn oder Unsinn?


Die Frage könnte man, natürlich, auch für so manche Gockelliste in Hochglanzpostillen oder Managermagazinen aufwerfen. Aber bleiben wir doch mal bei der Vorgabe der Financial Times und werfen einen Blick auf die Wesensmerkmale, welche die Wahl der Managerinnen begründet hat, in dem wir die Palette der ausgemachten Attribute aufzählen:

Mut und Innovationskraft, Kompetenz, Selbstbewusstsein und Einfluss […]
Unerschrockenheit und Handlungsbereitschaft […] zielstrebig.

Liest man das für sich, so lässt sich fragen: Diese Charakterisierung dürfte wohl auch auf jeden Mann in entsprechender Führungsposition als Profil feststellbar sein, oder?

Womit gerade auch Frau wieder vor der Frage steht, ob einer solchen Erhebung nicht die unterschwellige Unterstellung voraus gehen könnte, Frauen hätten nicht die gleiche Durchsetzungskraft wie Männer? Darüber könnte frau dann wieder aufbegehren. Dass ein Unternehmen, geführt von wem auch immer, die immer etwa gleichen Charaktereigenschaften von seinem Kapitän verlangt, ist offensichtlich, und die Feststellung, Frauen könnten die Funktion am Steuer genauso gut erfüllen wie Männer, irgendwann hoffentlich tatsächlich lapidar. Viel interessanter ist doch die Frage, ob man nicht wieder mal, abgesehen vom ganz verständlichen Anspruch der Frauen, gleich behandelt und beurteilt werden zu wollen wie Männer, eine Chance verpasst hat:

Wie, bitteschön, gehen diese Frauen mit ihrem Erfolg um? Wie organisieren sie sich, wie sehen sie ihr Bild in der Öffentlichkeit? Sind sie anders von ihrer Arbeit und Funktion geprägt, als Männer? Unterscheidet sich ihr Selbstbild von dem männlicher Kollegen oder gleicht sich das komplett an?

Es gibt im Artikel einen einzigen Hinweis auf eine mögliche hier anlehnende Fragestellung, wie sie in weiblichen Karrieren sehr viel konkreter im Raum steht:

[…] Berücksichtigt wurden auch frühere Karrierestops, […]

Nicht geschrieben wird allerdings, wie sich ein “Karrierestop”, ein Bruch, eine Auszeit, auf die Bewertung niederschlägt, und es ist leider zu vermuten, dass der lineare “Zug zum Tor”, sprich die lückenlose Verfolgung der Karriere, die Bewertung positiver beeinflusst. “Verlässlich” im Sinn des Unternehmens ist eben, wer keinen Zweifel daran lässt, wo seine Prioritäten liegen. Je absoluter, umso erfolgreicher. Das ist noch immer ein Kriterium für Managerrankings. Und mit ein Grund, warum Frauen in solchen gemischten Ranglisten noch lange, wahrscheinlich immer, weniger häufiger vorkommen als Männer. Und irgendwie scheint mir das gut so, weil natürlich, und im Sinne der Menschheit und einer etwas breiter gefassten Weltsicht des Daseins.

Bei den 50 Top-Managerinnen liesse sich ja noch nachfragen, wie sehr sich unter ihrer Führung in ihrem Unternehmen die Beschäftigungsmodelle für Teilzeitjobs verändert haben – und die Karrierechancen für Personen (nicht nur Frauen) in solchen Anstellungsverhältnissen…
Wenn ich diese Antworten kennen würde, so ist zu befürchten, bedeutete dies wahrscheinlich nicht, dass ich mir um unsere Weltsicht und die darin enthaltenen Prioritäten für ein erfülltes Leben weniger Gedanken machen würde…