Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Thierry Henry und sein wirklich unsterblicher Abend

∞  19 November 2009, 22:07

Frankreich hat sich also für die WM Qualifiziert. Thierry Henry war so unfrei, den Ball mit klarem Handspiel zu bändigen und Fakten zu schaffen, die nun zur Krux für alle Beteiligten werden:


1)


Der französische Fussballverband und ein guter Teil der französichen Fussballfans mag sich nicht so recht freuen. Irgendwie erscheint die Tatsache, dass ein veritabler Beschiss nötig wurde, um sich auf Kosten einer besseren gegnerischen Mannschaft an die WM zu mogeln, noch das letzte Zeichen in einer Kette von Beweisen war, dass die goldenen Zeiten Vergangenheit sind.


2)


Thierry Henry, der vom Moment an, als er seinem Impuls folgte, ein wenig zu tricksen, seines Sportlerlebens auch nicht mehr richtig froh werden wird, denn Henry spielte nicht einfach Foul, nein, er hat betrogen. Diese Szene von gestern wird für immer mit seiner Karriere in Verbindung gebracht werden, wie die Hand Maradonas.
Noch schlimmer wird es, weil er im zwangsläufig folgenden medialen Spiessrutenlauf nach der Partie sich noch mehr in die Falle redete. Die Spielsituation als direkt Betroffener so zu schildern:
«Ja, meine Hand war im Spiel», gab Thierry Henry gegenüber der Zeitung «L’Equipe» zu, «der Ball springt mir an die Hand, der Schiedsrichter pfeift nicht . . . und ich spiele halt weiter. Das Wichtigste war schliesslich, die WM-Qualifikation zu schaffen.» [ Quelle: NZZ Online ]
Jeder kann sehen, dass der Ball zwar Richtung Hand von Henry fliegt, er diese aber zum Ball bringt und ihn mit der offenen Handfläche kontrolliert. Wie blöd, Verzeihung, will er uns verkaufen? Der letzte Satz ist dann “ehrlich”, aber auch naiv: Es mag ja sein, dass am Ende nur Titel zählen. Aber man stelle sich vor, Frankreich wird nächsten Sommer Weltmeister. Immer wieder wird daran erinnert werden, wie das überhaupt möglich werden konnte. Den Titel kann Henry und seine Mannschaft nun theoretisch holen, die Ehre aber ist verloren.
Und ist das Zufall? Nach der “Hand Gottes” (Maradona gegen England):trifft es mit Irland wieder eine britische Mannschaft. Auf der Insel pflegen Fans die eigenen Stürmer nur schon auszupfeifen, wenn diese im gegnerischen Strafraum eine Schwalbe produzieren…


3)


Die Firma Gillette, Gigant aus dem Super-Moloch-Konglomerat des Multis Procter & Gamble, der das Nass-Rasieren alle paar Monate neu erfindet und uns zu entsprechend immer teureren Ersatzklingen nötigt, wenn wir es denn zulassen. Denn genau das könnte etwas schwieriger werden: In Facebook und in allen möglichen Foren rufen neutrale Fussballfans dazu auf, Gillette zu boykottieren – so lange Thierry Henry dort neben Tiger Woods und Roger Federer das dritte Musketier der Werbekampagne ist.


4)


Die FIFA, welche immer grössere Schwierigkeiten hat, den Pfiff des Schiedsrichters als reinen Tatsachenentscheid in jedem Fall jedem Videobeweis voran zu stellen. Es geht einfach um zuviel – und in Sachen gewünschter Fairness um Unmögliches: Angesichts der ungehörigen Summen, die im Spiel sind, und in Anbetracht der sakrosankten Bedeutung des Mammons in allen unseren Gesellschaftsbereichen, ist es einfach jenseits aller Realität, von einem Spieler in einer solchen Situation Ehrlichkeit zu erwarten. Es ist einfach ärgerlich, dass uns das Dilemma so deutlich vor Augen geführt wird – und es danach kein Zurück mehr gibt.


*


Und darum hätte ich zum letzten Punkt eine Anregung, welche Lehre man wirklich aus diesem Beispiel ziehen könnte:
Nach dem geltenden Regelwerk ist zum Beispiel ein Spieler mindestens mit einer gelben Karte zu bestrafen, wenn er sich im Strafraum fallen lässt. Begeht er ein absichtliches Hands, genau so. Ein Verteidiger, der als letzter Mann ein Handspiel begeht und damit eine Torchance vereitelt, wird mit der roten Karte bestraft. Nun ist es schon vorgekommen, dass Schiedsrichter Spieler direkt angesprochen haben, ob sie die reklamierte Regelwidrigkeit begangen haben, wenn sie deise selbst nicht gesehen hatten. Mehr als einmal habe ich dabei, auch im Profifussball, erlebt, dass, wenn der Spieler ehrlich war, seine Bestrafung darauf folgte, nach FIFA-Regelwerk völlig korrekt. Und das, finde ich, gehört korrigiert: Natürlich soll das Spiel mit Freistoss oder Strafstoss so weiter geführt werden, wie es der Regel entspricht, aber der Spieler, der sich zur Ehrlichkeit durchrang, soll zumindest statt mit der roten nur mit der gelben Karte bestraft werden bzw. ohne Verwarnung weiter spielen können: Es wäre ein Stück Ehrlichkeit, im gelebten Fairplay eines Profifussballers eine Ausserordentlichkeit anzuerkennen. Es reicht nicht aus, einen Spieler eines Landes einmal jedes Jahr bei irgend einer zweitklassigen Veranstaltung im Rahmenprogramm für ein faires Verhalten zu ehren – und ansonsten Sturheit walten zu lassen.