Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Talent - Segen und Bürde

∞  20 September 2012, 14:22

Ich habe nun einige Zeit damit verbracht, mir im Internet verschiedene Sequenzen von Talentshows anzusehen.

istockphoto.com/koun

Mit vielen Menschen teile ich den Wunsch, mit Gesang Herzen berühren zu können – und ich bin entsprechend schnell berührt von schönen Stimmen – die in solchen Shows oft mit Geschichten der Menschen verknüpft sind, welche solche Träume zu Märchen werden lassen – womit die Regung zum Kalkül wird, der Zauber aus dem Hut kommt und dahinter gerade bei jenen, welche plötzlich auf einer solchen Welle fortgetragen werden, ein Sturz ins Bodenlose droht.

Aber das ist hier nicht das Thema. Ich will ganz bei dem Traum bleiben, das eigene besondere Talent pflegen zu können, es zu vervollkommnen, mit Arbeit, Fleiss, Eifer und Demut daran zu arbeiten, es auszubilden und sich darin ausdrücken zu können. Meine Stimme schafft keinen einzigen geraden Ton, da bin ich vor jeder Illusion gefeit und bleibe unbedingt jener, welcher zuhört und sich seine Gefühle von Sängern, Komponisten und Interpreten in die universelle Sprache der Musik übersetzen lässt.

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Aber ich träume manchmal davon, Ähnliches mit Sprache ausdrücken zu können. Ein Anflug von Talent für das geschriebene Wort war mir zeitlebens Lust und Qual zugleich. Und ich kann mir vorlesen, was ich oben schrieb:

das eigene besondere Talent pflegen zu können, es zu vervollkommnen, mit Arbeit, Fleiss, Eifer und Demut daran zu arbeiten, es auszubilden und sich darin ausdrücken zu können

Dieses Blog, obwohl im achten Jahr betrieben, ist nur ein Ansatz dafür, wenn auch einer, der mir geholfen hat, in einer Art zweiten Phase meines Lebens dem Schreiben mehr Raum zu schenken. Und doch fehlt es an sehr Vielem. Auch und vor allem am Glauben und an der Energie, etwas Grösseres zustande bringen zu können. Ich befinde mich, auch auf Grund anderer Verpflichtungen, in einer Art Standby-Modus, und es ist, als würde ich mir gespannt von aussen zusehen, ob und wann da noch mehr kommen könnte. Genau so, wie fürs Bloggen ein Schalter umgelegt wurde, müsste hierfür eine Weiche gestellt werden, damit die Energie sich dafür bündelt, mag dann für den Versuch, den einen wirklich tollen Satz zu schreiben, auch ein ganzes Buch geschrieben werden… Wobei ich zu jenen gehöre, die – ganz altertümlich – noch in der Vorstellung leben, dass das eigene Schreiben positiv berühren sollte: Was uns leiden lässt, das sehen wir alle, wenn wir wollen. Das Schöne möchten wir erkennen, aber wir decken es zu, graben es kaum aus, trauen dem Gefühl gar nicht – denn auch damit wird Geschäft gemacht, so, als wäre alles eine Illusion – auch die Träne, die positive Emotion, das Glück. Wir überhöhen oder zerschlagen alles, was doch Bestand behielte, ja wirklich wichtig würde, wenn wir nur Herz und Seele sprechen lassen könnten.

Kunst scheint heute nur noch die Ernüchterung beschreiben zu wollen, allenfalls die Raserei, die Lust, das Vergnügen. Wir glauben kaum mehr an die Liebe, denn unsere Eltern sind schon in der Mehrzahl geschieden und wir womöglich auch. Wir glauben überhaupt kaum mehr an Tiefe, misstrauen jedem Vertrauen in eine Verbindlichkeit – und wagen sie selbst nicht mehr. Wie auch ich meinen Talenten nicht traue – und auch nicht der dafür nötigen Energie, es in den Mittelpunkt zu stellen.

Am Ende, ja, was wird am Ende sein? Das grosse Bedauern über verpasste Chancen, Möglichkeiten, ja nur Versuche – oder die Kunst, genau damit umgehen zu können und mit dem zufrieden zu sein, was doch versucht wurde, ob es nun gelang oder laut und deutlich oder klamm und heimlich scheiterte?